Immer wieder studiere ich die Risse in der "Architectura navalis" von F. Chapman. Ein wunderbares Buch! Chapman hat in seiner Sammlung 10 Katten aufgenommen. Die Takelung ist verschieden, sie kann also nicht zur Schiffsklassifizierung herangezogen werden. Im Internet und den mir zur Verfügung stehenden Büchern werden Katten nur beiläufig erwähnt. Es war halt nur ein Handelsschiffstyp und kein stattliches Kriegsschiff. Dann stieß ich auf eine ältere Ausgabe vom Logbuch (1994/4). Hier beschreibt unser Karl-Heinz Marquardt das Kattschiff und arbeitet die Unterschiede zu ähnlichen Seglern heraus. Dieser Artikel von Marquardt gab den Anstoß zum Bau eines Fahrmodells im Maßstab 1 : 35. Eine Katt ist ein Rundgatter mit flachem Boden zum Trockenfallen. So kann es auch am Strand beladen werden. Es entstand wohl um 1670 und hat sich aus der holländischen Fleute entwickelt. Fleuten segelten nach Skandinavien um Langholz aufzunehmen. Norwegische Holzhändler wollten bei der Ausfuhr von Holz unabhängiger sein und entwickelten vor Ort ein eigenständiges Fahrzeug, die Katt. Das Schiff hatte kein Gallion und keine Bugzier. Der Bug war apfelförmig und das sehr völlige Schiff war ein behäbiger Segler. Es hatte ein Rundheck, wobei der Plankenverlauf hoch gezogen war und entweder ober- oder außerhalb des Hennegats endete. Der Spiegel war aufgesetzt und schmal. Es war keine Gillung vorhanden, nur ein schmaler Zierstreifen bildete den Übergang vom Rundheck zum Spiegel. Katten segelten nach Holland und England. Die englischen Cats -Witby cat- waren jedoch nicht identisch. Diese verfügten über die nach innen gewölbte Gillung, durch die der Ruderkoker hindurch führte. Die Namensähnlichkeit ergab sich aus der Takelung. Um 1750 wurden die im Mittelmeerraum gebräuchliche Polackertakelung bei den Kattschiffen übernommen. Es ist ein sehr arbeitsparendes Rig, denn die Matrosen müssen höchstens auf die Unterrahen hoch, die oberen Rahen und Segel können vom Deck aus bedient werden. Man erkennt Segelschiffe mit Kraier- oder Polackerrigg daran, dass sie Pfahlmasten führen um die oberen Segel hochziehen zu können. So haben Katten neben dem Bratspill immer auch zusätzlich einen Drehspill. Diese Pfahlmasten sind oft aus zwei Stücken zusammengeschäftet und mit Ringen oder Wuhlingen gesichert. Grundsätzlich sind diese Masten schwächer und niedriger als Masten mit Salinge und Stengen. Auch sind die Rüstbretter und Wanten weiter hinten angebracht als üblich, da die Unterrahen bei Polackern breiter waren. Um den gleichen Anbrasswinkel zu erreichen, war diese Zurücksetzung erforderlich. Die englischen Witby Cats übernahmen diese Kraiertakelung - cat rigged - um mit weniger und geringer ausgebildeter Besatzung segeln zu können, waren aber vom Rumpf her Barken. Vor ihrer großen Reise ließ Kapitän Cook die schwachen Polackermasten der "Earl of Pembroke" ziehen und durch gebaute und mit Marsen und Stengen versehene Masten ersetzen. Katten segelten in der Nord- und Ostsee, im Bereich des Ärmelkanals und zuweilen auch ins Mittelmeer. Wegen der schwach dimensionierten Masten waren sie für die Atlantikfahrt weniger geeignet. Bei Mastbruch ließ sich der Schaden schlechter beheben. Sonst wurde die beschädigte Stenge durch ein mitgeführtes Ersatzstück ersetzt. Die Mallenschablonen sind ausgeschnitten, der Bau kann beginnen. Es wird das Fahrzeug aus Plan XIX, Nr. 27
Dort wo heute das markante Opernhaus von Sydney steht, liegt Sydney Cove, der Landeplatz der First Fleet. Die Brigg "Friendship" war das kleinste Fahrzeug der 9 zivilen Schiffe. Bis Kapstadt transportierte sie weibliche Sträflinge, diese wurden umgeladen und die Brigg übernahm Proviant, maßgeblich lebende Tiere. Auf der Rückreise brach Skorbut aus und das Schiff strandete auf einer Sandbank in der Straße von Makassar. Da nur noch 3 Mann arbeitsfähig waren, wechselte die Besatzung auf die Bark "Alexander" über und das Schiff wurde aufgegeben. Auffällig ist bei ihr und den anderen Modellen der First Fleet der tiefe Rumpf. Diese Ausführung hat auch die Katt. Später wird im Bereich des Achterschiffs und auch mittschiffs noch eine Reling mit Stützen aufgesetzt. Somit wird die Höhe weiter verstärkt. Folgerung: Schiffe , die die Ostsee befuhren oder Fahrzeuge an der nordamerikanischen Ostküste hatten flache Unterwasserschiffe, da sie häufig unausgebaute Häfen anliefen, Fahrzeuge, die den Atlantik befuhren, hatten mehr Tiefgang.
Im 17. Jh. war die Fleute das "Arbeitstier" des niederländischen Handels. Aus den agarisch geprägten Ländern der Ostsee bezog man Holz, Teer, Pech und Eisen. Der Ostseehandel war die Grundlage für den Wohlstand der rohstoffarmen Niederlande. Die Fleute war seetüchtig, hatte ein einfaches Rigg und kam mit einer geringen Mannschaftsstärke aus. Im 18. Jh wurde die Fleute von moderneren Schiffstypen abgelöst. Der Heckaufbau war windanfällig und so wurde das Heck flacher ausgeführt. Durch die Änderung des Sundzolles konnte das Deck breiter werden und der Einzug der Spanten wurde geringer. Nicht aufgegeben wurde das ausgeprägte Flach und das Rundgatt. In der Mitte sehen wir die ältere Fleute, links davon einen Huker (als russischer Gukor gebaut) und rechts die Katt.
Zur Ermittlung der Masthöhen habe ich die Brigg herangezogen. Sie ist zeitgleich und hat die gleiche Länge. Marquardt schreibt, dass bei der cat-rigged Ausführung die Masten niedriger waren. Sie bestehen nicht aus Untermast, Mars- und Bramstenge, sondern es sind Pfahlmasten. Sie sollten also kürzer sein als die Masten der Brigg. Den Großmast habe ich gelassen, der Fockmast wurde gekürzt.
Mit den kürzeren Masten war die Segelfläche einer Katt geringer. Um den Geschwindigkeitsverlust zu kompensieren, wurden die Rahen länger ausgeführt. Somit konnte mehr Tuch gesetzt werden.
Das Bild ist ein wenig verwirrend. Damit kein Missmut entsteht, erkläre ich es gleich. Die Katt hat Pfahlmasten, die Brigg verfügt über Untermasten und Stengen. Solche zusammengesetzten Masten sind üblicherweise höher. Um der Katt eine ausreichende Beschleunigung zu geben, wurden längere Rahen verwendet und so das Segelvolumen angepasst. Die Juffern auf den Rüstbrettern wurden gesetzt. Die größeren beim Groß- und Fockmast halten die Wanten. Diese führen bis knapp über die unteren Rahen. Die kleineren Juffern sind für die Pardunen. Diese sind über den Bramrahen befestigt. Jetzt fehlen mir wieder 11 von den größeren Juffern. Das eingebundene Planungsbüro in Chemnitz hat sich verrechnet. Kein Wunder, wenn der Chef allweil diese Groschenromane liest, wo sich Nordmänner die Köpfe einschlagen. @Marten
Gruß Jörg
PS.: Unser Weihnachtsbaum, gutsder Uwe, besteht noch nicht aus diesen Dachlatten!
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Es geht auch ohne ratze, ritze, gutsder Uwe! @Marten Hier ein beschaulicher Adventskranz sinologischer Provenienz. Den möchte jeder haben! IMG_1618.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Hab ich Dir schon erzählt, dass hier im Frankfurter Stadtwald, unweit der lauschigen Hubertusquelle, die Krippe der Grünen Bewegung stehen sollte? 1962 schon hatte ich mich mit Spaten und Hacke dem Waldsterben entgegengestellt und heftig aufgeforstet. Als 15 jähriger Ideal- und Aktivist. Damals hatte der Anton von der Hofreite weder Haare noch Umweltbewusstsein entwickelt. Deswegen ist er auch kein Minister geworden!
Gruß Jörg
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Mit dem Adventskranz asiatischer Abstammung (man beachte die gelungene Allitteration!) hinter dem Schiff schaut's aus wie ein Votivschiff von dem ich mal gelesen habe, das eben auch mit Kerzen auf den Rahen illuminiert werden konnte. (ich gehe davon aus, dass es heute nicht mehr wird aus koservatorischen und branschutzlichen Gründen - so wie die Bremer Orlogschiffe auch nicht mehr abgefeuert werden)
Hier "segeln" meine beiden Modelle mit Krajertakelung. Rechts/vorne ist die zierliche Martigana aus Sizilien. Die Verwandschaft mit Tartane und Schebecke ist ihr deutlich anzusehen. Sie ist kein schneller Segler. Bellabarba hat es nicht so richtig verstanden und ich habe mich eng an seine Vorlagen gehalten. Die Rahen sind zu kurz. Bei der Polacker-/Krajerausführung müssen sie länger sein als bei einem normalen Rahsegler. Der Unterschied zwischen dem breiten, völligen Nordseesegler und dem Mittelmeerfahrer ist schon auffällig.
Gruß Jörg
PS.: Die Masten der Katt sind gerade, lotrecht, jawohl!
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Zum Abschluss bekommt ein Modell immer seine Flagge. Die Katt führt den Danebrog. Dieser ist wahrscheinlich die älteste Flagge der Welt und stammt noch aus der Kreuzfahrerzeit. 1780, als meine Katt auf der Nordsee unterwegs war, gehörte Norwegen noch zu Dänemark. Die Länder ergänzten sich gut. Von Norwegen bezog Dänemark Erze und Holzprodukte. Dafür erhielt man Agrargüter und Fertigwaren. Norwegen hatte eine eigene Armee, ein eigenes Rechtssystem und weitgehende Autonomie, löste sich aber im Zuge der Nationalstaatsbewegung vom Mutterland. Dieses war durch die britischen "Strafaktionen" 1801 bedeutungslos geworden.
Gruß Jörg
PS.: Ich bin aber noch nicht fertig. Es fehlen die Püttingseisen. Es sind diesmal 30 Stück und jedes besteht aus 5 Teilen.
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Nachdem wir das mit der Polacklertakelung verstanden haben, bringe ich nun alles wieder durcheinander. Das genuesische Fahrzeug ist nämlich auch ein Polacker. Dies war ursprünglich die Bezeichnung für einen Dreimaster, bei dem der Großmast Rah- und die beiden anderen Masten Lateinersegel hatten. Spätere Polacker bekamen dann auch den Pfahlmast und die hochziehbaren Rahsegel. Vom Mittelmeer ausgehend wurde diese Takelage in Nordeuropa übernommen. Mit diesen genuesischen Polackern wurden Napoleons Soldaten nach Ägypten verfrachtet und Genua verdiente gut dabei. Sergio Bellabarba berichtet darüber. Die Katt ist segelfertig und -fähig. Auch die ansteckbare Rudervergrößerung liegt bereit. Ich könnte, ich würde, wenn es nicht so kalt wäre.....
Interessant sind wieder die Flaggen, denn hier gibt es Übereinstimmungen. Weiß steht für Reinheit, Unschuld, Weisheit, rot für Tapferkeit, Gerechtigkeit, Liebe. Die Kreuzfahrer trugen häufig einen weißen Umhang mit dem roten aufgenähten Kreuz. Zur Flagge Genuas: Von hier schifften sich die Kreuzfahrer des 1. Kreuzzuges ein. Seit 1242 war das Georgskreuz die Seeflagge des Stadtstaates. Englische Seefahrer im Mittelmeer (ab 1190) zahlten Tribut und durften die Flagge führen als Zeichen, dass sie im Schutz der genuesischen Flotte segelten. Das englische Georgskreuz ist also aus der Banderia di Genova hervorgegangen und bildet das Zentralmotiv des Union Jacks. Auch die Flagge Georgiens trägt das St. Georgskreuz und zwar als Jerusalemkreuz. In den vier Quadranten ist jeweils ein kleineres Kreuz angeordnet. Diese fünf Kreuze symbolisieren die Wundmale Christi. Zum Danebrog: Vor der Schlacht gegen die heidnischen Esten 1219 erblickte der Dänenkönig Waldemar II. am rötlichen Abendhimmel das weiße Kreuzeszeichen. Er adaptierte es geschwind und siegte (eine wundersame Begebenheit, die damals noch recht häufig auftrat).
Gruß Jörg
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Nach der Fertigstellung eines Modells, stellt man sich die Frage:" Ist es wirklich fertig, habe ich was vergessen?"
Die norwegische Katt wurde für den Holztransport entwickelt. Die Zielhäfen lagen meist in England und den Niederlanden. Schnittholz konnte durch die Luken an Bord genommen werden, aber längere Balken und Rundhölzer mussten durch Öffnungen im Rumpf in den Laderaum geschoben werden. Af Chapman hat viele Katts gezeichnet, doch ist nirgends eine entsprechende Bordwandöffnung vermerkt.
IMG_1649.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Ich habe hier ein Foto von ca. 1920. Es handelt sich um den 3 Mast Schoner "Citnalta", der an der Pazifikküste der USA in der Holzfahrt beschäftigt war. Gerade werden unbearbeitete Baumstämme entladen. Dafür hat das Schiff im Bugbereich direkt anschließend an den Vordersteven Öffnungen. Sie werden durch Deckel verschlossen. Diese kann man sehen, sie hängen an Takeln. Nach der Beladung werden sie eingesetzt, festgeschraubt und verkeilt. Zusätzlich werden die Übergänge abgedichtet und geteert. Es ist wahrscheinlich, dass bei den holztragenden Katts gleiche Öffnungen vorhanden waren. Ich könnte diese Deckel vorne zwischen den Barkhölzern anbringen.
Gruß Jörg
Bildquelle: The Schooner, David MacGregor, London 1997, S. 73
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