Forum für historischen Schiffsmodellbau und Geschichte
»
Willkommen
»
Bausatzvorstellungen
»
Holz - Intermediate - Mary Byrne 1826 - 1:48 - Modellers Shipyard
Modelers Central waren so freundlich, mir ihren Modellers Shipyards Bausatz "Mary Byrne 1826 Admiralty Model" im Maßstab 1:48 für ein Review zu schicken :-)
Geschichte
Ketschen waren Fluss- und Küstenschiffe, die im frühen 19. Jahrhundert von Europäern in die australischen Kolonien gebracht wurden und deren Design sich an die australischen Küsten- und Flussgewässer anpasste. Die Schiffe hatten zwei Masten und einen einfachen Satz Segel, so dass sie von einer dreiköpfigen Besatzung gesteuert werden konnten.
Die Ketschen waren ein wesentlicher Bestandteil der australischen Seefahrtsgeschichte. Sie verbanden Stadt und Land noch vor dem Aufkommen von Straße und Schiene. Die Ketsch ist bei leichtem Wind recht wendig, und mit ihrem geringen Tiefgang waren sie gut geeignet, die Küstenflüsse zu befahren, um landwirtschaftliche Erzeugnisse, Getreide und Mineralien in die Stadt zu transportieren und Waren und Vorräte zu abgelegenen Fluss- und Küstengemeinden entlang der ausgedehnten Küste Ost- und Südostaustraliens zu bringen.
Die Ketsch Mary Byrne ist nach einem jungen irischen Mädchen benannt. Mary Byrne wurde 1826 in Dublin zu sieben Jahren Haft verurteilt und von dort in die Kolonie Neusüdwales transportiert. Ihr Verbrechen war der Diebstahl eines Spitzentaschentuchs. Marys Mutter Jane appellierte schriftlich an die örtlichen Behörden, ihre Tochter zu retten, da sie ein Einzelkind und ihr Vater tot sei. Dies war jedoch vergeblich. Mary wurde mit der Lady Rowena transportiert, die Dublin im Januar 1826 verließ und im Mai in Sydney eintraf. An Bord des Schiffes befanden sich 102 Frauen aus Irland, von denen die meisten wegen kleinerer Vergehen für 7 Jahre inhaftiert waren.
Nach ihrer Ankunft in Sydney wurde Mary Herrn Still in Bunkers Hill als Dienerin zugeteilt. Die Sydney Gazette berichtete, dass Mary in der Küche einen Streit mit einem Arbeitskollegen hatte, der dazu führte, dass die Polizei gerufen wurde. Ihre Arbeitgeberin Mrs. Still verteidigte sie mit den Worten, sie sei ein Mädchen, das zur Kirche gehe und mit einem Polizisten verlobt sei. Mary geriet erneut in Schwierigkeiten, als ein anderer Arbeitgeber sich weigerte, sie zu bezahlen, und Mary die Frau zur Rede stellte und ihren Lohn forderte. Diesmal erhielt Mary 3 Monate in der Frauenfabrik in Parramatta. Zweifelsohne war Mary ein temperamentvolles Mädchen, denn bei der Verurteilung hieß es, es sei ihr egal, da sie nur ein paar Böden fegen müsse.
Mary zog schließlich im Stadtteil Rocks in Sydney bei John Burke ein, der selbst ein Sträfling war und einen Urlaubsschein erhalten hatte. John Burke war von Beruf Hufschmied, hatte aber auch einige Zeit als Polizeibeamter gedient. Aus der Volkszählung von 1828 geht hervor, dass Mary und John eine Tochter namens Margaret hatten, aber leider gibt es keine weiteren Hinweise auf ihre Existenz. Etwa 1832 bekamen sie einen Sohn namens John, der 1856 in der Kirche von St. Mary's Mary Coe heiratete. Auch Mary Coe stammte von Sträflingen ab.
Wir hören das nächste Mal von Mary Byrne, als sie im Mai 1842 in das Sydney General Hospital eingeliefert wurde. Sie starb kurz darauf an Erysipel, worüber auch in der Sydney Gazette berichtet wurde. In den staatlichen Aufzeichnungen über Marys Autopsie heißt es, sie habe eine "Heimsuchung von Gott" gehabt. Mary Byrnes starb als Sträfling, als sie gerade 36 Jahre alt war. Die Nachkommen von Mary Byrnes lebten weit über 100 Jahre lang in The Rocks und leben auch heute noch in Australien.
Der Admiralty-Modellbausatz der Mary Byrne 1826 wurde von John Staib, einem Meister des Schiffsmodellbaus, fachmännisch entworfen und gebaut.
Wie bei allen neuen Schiffsmodellbausätzen von Modellers Shipyard sind die Spanten des Bausatzes mit lasergeschnittenen Straklinien versehen, die ein einfaches, genaues straken der Spanten gewährleisten.
Der Bausatz wird komplett mit Qualitätsbeschlägen, sauberen und präzisen lasergeschnittenen Teilen und einer sehr detaillierten, in Englisch verfassten Bauanleitung mit Farbfotos von jedem Bauschritt des Bausatzes geliefert.
Das Mary Byrne Modell ist Mary Byrne und ihren Nachkommen gewidmet.
1 x Große, farbige Foto-Bauanleitung in Englisch 6 x Brettchen aus lasergeschnittenem Sperrholz Verschiedene Holzleisten Kleinteile (Draht, Ösen, Ringe, Nägel, Pumpen, Löcher, Ruderscharniere, Draht und Totaugen)
Alle Teile des Bausatzes sind sicher und ordentlich im Karton verstaut.
Holz :-)
Schauen wir uns diesen Bausatz genauer an und beginnen mit dem perfekt gelaserten Sperrholz.
Keine Laserspuren auf der Rückseite, der Laser scheint perfekt eingestellt zu sein. Das gefällt mir.
Und weiter geht's mit weiteren gelaserten Teilen.
Die Kleinteile kommen in Tüten sortiert.
Papierkram. Unverzichtbar für einen guten Bausatz sind die Anleitungen. Richtige Pläne gibt es hier nicht (werden aber auch nicht vermisst) dafür aber ein großformatiges Foto-Bauanleitung-Heft.
Meiner Meinung nach wäre es schöner gewesen, das Heft ein nweig kleiner zu machen, damit es in den Karton passt, ohne gefaltet zu werden ;-)
Fazit
Dies ist ein schöner Bausatz der Mary Byrne. Ein gutes Beispiel dafür, wie kleine, engagierte Firmen heutzutage wunderbare, bezahlbare, neue innovative Modellbausätze entwickeln können.
Die wirklich erstklassigen und gut gelaserten Hölzer in Verbindung mit der tollen bebilderten Anleitung - sie erfüllt ihre Aufgabe gut und lässt wenig bis keine Fragen offen - runden diesen Bausatz ab.
Alle Teile sind wirklich sehr gut bis hochwertig und man spürt die Liebe zum Detail, die in diesem Bausatz steckt.
Es ist sicherlich eine Preisfrage, dass die sichtbaren Spanten alle aus Sperrholz gefertigt sind. Das muss man mögen, es ist nicht perfekt, oder man überlegt sich, wie man die Spanten farblich gestalten kann, rot oder weiß zum Beispiel. Ich kann verstehen, dass man kein Massivholz verwendet hat, denn das wäre in der Herstellung des Bausatzes sicher wesentlich teurer. Und ja, das Spantgerüst ist auch eher beispielhaft zu nennen, nicht historisch korrekt aber ich bin sicher, dass gerade Einsteiger daran Freude haben werden.
Das Schöne an der Mary Byrne ist das Potential für Bausatzbastler. So viele Möglichkeiten, das Interieur zu erweitern oder auch nicht :-)
Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich um einen Anfänger- oder Fortgeschrittenen-Bausatz handelt (laut Hersteller), aber so oder so lohnt es sich dieses Schiff zu bauen. Die Anleitung ist hervorragend.
Mein aufrichtiger Dank geht an Modelers Central für die Zusendung dieses Bausatzes zur Besprechung hier auf Dubz Modelling World. Zum Kauf wenden Sie sich bitte an Ihren Händler oder direkt an https://www.modelerscentral.com/model-sh...dmiralty-model/
Schöner Bausatz. Allerdings würde mir Sperrholz als sichtbares Spantwerk nicht zusagen. Könnte mir vorstellen dass sie das aus Stabilitätsgründen so gemacht haben.
Danke für die Vorstellung, Dirk!
Auch die historischen Ausführungen sind sehr interessant. So hat man Australien mit britischen Sträflingen zwangsbesiedelt.
Hatte mal näheren Kontakt mit Australiern. Die unterscheiden heute noch, ob sie Nachkommen von Sträflingen sind oder nicht.
Grüße Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Diese Bausätze werden immer ausgefeilter ... nur 'Ketsch' ist eine Takelungsart und kein Schiffstyp.
Die Nachkommen der Sträflinge der frühen 'transports' sind der heutige 'Adel' Australiens. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, daß sich gerade diese Leute nachverfolgen lassen, während die Erinnerung an Tausende 'normaler' Einwanderer im Staub der Geschichte verschwindet - sic transit poena mundi.
Ja das Sperrholz ist ein kleiner Schwachpunkt aber sicherlich dem Preis geschuldet. An Furnier habe ich tatsächlich auch gleich gedacht :-P
Danke Eberhard, ich schicke es gerne durch einen Übersetzer und dann bleiben solche Fehler hängen, ich gehe da später nochmal ran :-) BTW, sind solche Reviews für das AK Forum auch interessant oder für einige zu sehr an einem kommerziellen Post?
Zitat von wefalck im Beitrag #4... nur 'Ketsch' ist eine Takelungsart und kein Schiffstyp.
Mmm laut diverser Bootsseiten und auch Wikipedia wird der Begriff "Ketsch" durchaus als Typenbezeichnung verwendet ... auch wenn ich Dir zustimme. Ich lass es daher mal so :-)
Zitat von Dubz im Beitrag #7der Begriff "Ketsch" durchaus als Typenbezeichnung verwendet
Auch das "Große Buch der Schiffstypen" benennt es als "Schiffstyp", ein Anderthalbmaster gekennzeichent durch seine (besondere) Mastanordnung, bei der der achter Mast (Treibermast) ziemlich weit hinten, aber noch vor dem Ruder angeordnet ist.
Ein weitere spezifisch Definition dieses Schiffstyp gib es nach meinem Kenntnisstand jedoch nicht. Es ist die eigentlich gängige Praxis Schiffe oftmals mit ihrem Rigg als Präfix zu bezeichen, ohne das eine Aussage zu Verwendungszweck oder der Bauweise getroffen wird. In dem Fall ist es sicherlich immer im weitesten Sinne eine Typisierung.
Anderes dagegen bei Galeasse oder Ewer, die durch ihre spezielle Bauweise, Größe und Verdrängung definiert werden, aber anders als bei einer Ketch verschiedene Riggs tragen können.
Ein Beispiel sind auch die die (Hai)-Kutter, getakelt als Kutter, Ketch oder Schoner. In diesem Fall bezieht man sich ebenfalls auf die Bauweise/Form des Rumpfes.
Hallo Dirk, Die Anbieter präsentieren ein Rumpfmodell. Es entspricht den zeitgenössischen südenglischen Frachtseglern mit apfelförmigen Bug und großem Fassungsvermögen. Wahrscheinlich wurde es von engl. Schiffbauern nach mitgenommenen Mallen hergestellt. Mit dem Begriff "Ketsch" wollen sie wohl deutlich machen, dass der Besanmast kürzer und es ausschließlich mit Schratsegel bestückt war. So ist auch die geringe Besatzungsstärke (3 Mann) zu vertreten. Beim Einsatz von Rahsegeln müsste sie höher sein. Tatsächlich haben sich diese tiefen Rümpfe an den Küsten von Newsouthwales und Tasmanien nicht bewährt. Die Küstensegler werden ab Mitte des 19. Jhs viel flacher gebaut - häufig mit Mittelschwert- um die unausgebauten Anlegestellen bedienen zu können. Die "Mary Byrne" entspricht rumpfmäßig meiner etwas älteren "Mercury". Daneben segelt eine tasmanische Ketsch mit Mitttelschwert.
Schön, dass Du sie vorgestellt hast.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Ich habe mal vor vielen Jahren gelernt, daß bei einer Ketsch der kleinere, hintere Mast innerhalb der KWL steht, während er bei einer Yawl außerhalb der KWL steht und auch meistens deutlich kleiner ist.
Schiffe von der Art der MARY BYRNE, gleicher Größe und Rumpfform, konnten durchaus als Toppsegelschoner oder Brigg getakelt sein. Die Ketch-Takelung hat den Vorteil, daß man mit deutlich weniger Personal auskommt. So ein Schiff kann durchaus von drei Leuten gesegelt werden. In der Zeit dieses Schiffes dürfte man aber noch mehr Mannschaft gebraucht haben, da es damals noch keine Fallwinschen gab.
Die Ketsch-Takelung, auch mit Rah-Toppsegel(n) und Breitfock scheint ab dem 18. Jh. sehr verbreitet gewesen zu sein.
Wir beschäftigen uns mit historischen Schiffen. Wir bauen historische Schiffe. Die Mary Byrne ist kein historisches Schiff. Es hat sie nie gegeben. Es gab eine irische Strafgefangene Mary Byrne mit ihrer leidvollen Lebensgeschichte. Nach ihr hat die Firma Modellers Shipyard das Modell eines fiktiven australischen Küstenseglers von 1826 benannt. Auch ich gebe meinen Fahrmodellen Namen. Das ist in Ordnung. Meine Modelle baue ich aber nach Plänen von af Chapman oder Adm. Paris, d.h. nach historisch korrekten Quellen.
Mit der Gestaltung der Mary Byrne bin ich nicht zufrieden, die Ausführung ist nicht zeitgerecht. Für Modellbauer von Kleinschiffen um 1800 gibt es die Schwierigkeit, dass kaum Pläne vorhanden sind. Die einfachen Schiffbauer kamen mit Plänen nicht zurecht. Sie bauten nach Halbmodellen oder mittels Mallen. Erst wenn diese Kleinschiffe von der Admiralität vermessen (Schoner aus den Neuenglandstaaten) oder von staatlichen Baumeistern (af Chapman) entworfen wurden, gab es Pläne. 1802/03 wurden Bauteile und von der Admiralität gezeichnete Pläne eines kleinen Schoners nach Port Jackson (Sydney) geschickt, daraus entstand die "Mercury". Weitere, spätere Pläne sind mir aus Down Under nicht bekannt. Die Zeichnungen des Kutters "Royal William" stellen einen Frachter aus der Zeit der Mary Byrne dar, sind aber wahrscheinlich auch nicht historisch. Der Zeichner Robert Sexton hat aber die entscheidende Änderung, die sich in Nordamerika und Nordeuropa durchsetzte, berücksichtigt. Der Bug wird schlanker und strömungsgünstiger. Er bekommt auch einen S-Schlag. 1990 bekam unser Karl Marquardt den Auftrag eine Replik der "Enterprise" zu entwerfen. Der Schoner wurde 1831 in Hobart, Tasmanien gebaut und brachte die ersten Siedler nach Melbourne. Mehrere Jahre sicherte das Schiff die Versorgung der neuen Kolonie. Bekannt waren nur ihre Maße. Auch Marquardt entschied sich für den strömungsgünstigen Bug und überdies für einen V-förmigen Rumpf. Diese Form förderte die Kurshaltung in den "roaring forties".
Mir scheint, dass der Konstrukteur des Bausatzes den sehr einfachen Weg gegangen ist und den Admiralitätsplan des Schoners von Port Jackson übernommen hat. Diese Ausführung ist aber von 1802/03 und 1826 wurde "moderner" gebaut. Sogar das Bootsheck (ohne Gillung) hat er ganz unkritisch übernommen.
Natürlich kann man aus dem Bausatz ein ansehnliches Modell herstellen. Es ist aber nicht historisch korrekt. Für 200 € erwarte ich da mehr an Recherche.
Bildquelle: The Tasmanian Trading Ketch, Garry Kerr, Victoria, Aus.,1987,S. 9
Uns werden immer mal wieder krude Sachen aufgetischt - und das nicht nur von mir. Das zweite Bild habe ich im Schiffsmuseum von Riga aufgenommen. Die Modellbeschreibung lautet: Typisches Handelsschiff zu Beginn des 19. Jhs. 1803 in Norwegen gebaut. Tatsächlich ist es der Schoner von Port Jackson nach den Plänen von K.-H. Marquardt. Selbst die Spaken am Nachthaus sind da, wo Marquardt sie verortet hat. Ist halt ein gefälliges Schiffchen und das verkauft sich als Bausatz sicher gut.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!