Oh Nö, nicht schon wieder eine VICTORY...! Und dann noch aus Plastik...
Dochdoch, das muss jetzt auch mal bei mir sein!
Wobei ich den Revell-Baukasten schon als Teenager in den frühen Achtzigern zusammengeklebt habe und damit eigentlich meine oftgenannte Pflicht erfüllt habe, mindestens einmal im Modellbauleben Nelsons Flaggschiff nachgebildet zu haben.
Hier bin ich 1982, als 11-jähriger, verwackelt und unschaft abgelichtet vor dem imposanten Modell mit gesetzten Leesegeln im Deutschen Museum, München. Damals bekam mein Vater mich vor der Vitrine nicht mehr weg, so toll fand ich das Schiff.
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Komisch, viele die Jahre danach hat mich das Schiff – und vor allem Plastikbaukästen – nicht mehr besonders interessiert. Noch letztes Jahr habe ich bei einem AK-Treffen rumgetönt, nie eine VICTORY bauen zu wollen. Da gibt es viele andere Segelschiffe die als Modellbauprojekt viel interessanter halte als dieser dauerabgenudelte Kanonenträger. Ihr merkt: Obwohl »nur unwichtige« Freizeitbeschäftigung spielt hier ein innerer Disput um ein »sichselbstetwaserlauben« eine Rolle.
Und warum nun jetzt? Angeregt durch die vielen Informationen und Modelle in den Foren, besonders durch Dafis Œvre, wollte ich gerne alles gelesene und gesehene in einem kleinen Modell umsetzten. Und dass ich mir dazu nach 30 Jahren den Revell-Baukasten vorknöpfe folgt einen langgehegten Gedanken: Wie würde ich heute mit dem Modell umgehen? »Heute« heißt: als Schiffsmodellbauer der lieber mit Papier und Karton arbeitet, der mal fertig gedruckte Baubogen als Grundlage seiner Werke nimmt oder mal nach Plan was eigenes macht um eine Autorenschaft zu erringen. Und das gerne in 1:250. Da passt der vorgegeben Maßstab 1:225 der Revell-VICTORY zumindest halbwegs gut in meine kleine Modellsammlung.
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Was soll dabei herauskommen? Ich will die Welt – oder den gelben Sack – um ein weiteres VICTORY-Modell bereichern... Ich möchte das Kunststoffmodell als Grundlage verwenden und mit Karton- und Papierteilen erweitern. Denn: auch mit »Fertigrumpf« wird der vollgetakelte Dreidecker noch genug Arbeit und vor allem Bauspaß bieten.
Nach dem 1803 vollendeten Rebuilt hatte das Schiff viel von seiner ursprünglichen optischen Ausgewogenheit eingebüßt. Aber es ging der Royal-Navy nicht ums gute Aussehen sondern darum, ein kampfkräftiges und seetüchtiges Schiff zur Verfügung zu haben. Und so möchte ich es gerne als Miniatur haben (wie ungewöhnlich, ich weiß... ). Dabei sollen die angelesenen neuen Erkenntnisse umgesezt werden – die das Modell nun nicht unbedingt attraktiver machen: Keine Eingangspforten im Rumpf, eine hohe Verschanzung um Back und Poop und keine Boote in Davits hängend. Einzig die neuen Forschungsergebnisse zur Farbgebung wollen mir nicht einleuchten. Da bleibe ich bei den altbekannten Meinungen und den wohlbekannten Darstellungen der zeitgenössischen Maler und verzichte auf fleischfarbene Pfortenbänder...
Und hoffe dabei auf Eure Unterstützung bei Fragen und eventuell auftretenden Formtiefs...
Oh, wie interessant! Die Revell-Vic, umgebaut und mit Karton verfeinert - da setz ich mich aber mal sofort in die erste Reihe. @dafi , rück mal ein Stück zur Seite!
Nein lieber @Bonden , da willst du bestimmt nicht sitzen bei so einem Thema: zu viele wild umherspritzende Körperflüssigkeiten, Freudensprünge und Tänze, Herungefuchtel, geschriehene Regieanweisungen, Reenactment der Kampfszenen ...
Ich glaube, neben mir sollten sicherheitshalber mehrere Stühle freibleiben ;-)
Das wird ein Standmodell, von Fahrmodell hab‘ ich nichts geschrieben!
Hurra, ich habe Zuschauer und Helfer bei meinem Plan. Das ist toll... Und lasst Eure Körperflüssigkeiten bitte bei Euch!
Das Modell im Deutschen Museum ist bei mir schon soweit entzaubert als dass ich nun weiß was alles unrichtig daran ist... Es ist Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden (richtig?) als die Original-VICTORY noch in ihrem victorianischen Kleidchen steckte und erst rund 20 Jahre später ihr »Trafalgar-nahes-Aussehen« bekam. Damals stocherten die Modellbauer sicher noch mehr im Dunkeln herum als wie wir es heute mit unseren Möglichkeiten des internationalen Ausstausches tun können. Dennoch gibt das Modell unter vollen, geblähten Segeln ein imposantes Bild ab. Kurz nach meinem Besuch damals gab es übrigens einen Brand in der Schiffahrtsabteilung des Deutschen Museums. Das muss Anfang 1983 gewesen sein. Das VICTORY-Modell kam jedenfalls nicht zu Schaden.
Neben den imensen Bergen aus Fotos, Detailfotos, Bauberichten und Diskussionen um die VICTORY im Internet - Möglichkeiten der Informationsbeschaffung von denen vor über 30 Jahren vielleicht nur eingeweihte Entwickler in den USA etwas ahnen konnten – greife ich hauptsächlich auf drei Werke der guten alte Fachliteratur zurück:
Hackney, HMS VICTORY, Modellbaureihe Delius Klasing
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Für den Band habe ich damals, Anfang 1983, 27,50 DM vom Taschengeld abgedrückt. Nun freue ich mich das Buch noch zu besitzen und es endlich aktiv einsetzen zu können! Die im Buch enthaltenen Risse – gezeichnet von Wolfgang Hölzel – habe ich auf meinen Maßstab gebracht. Diese Risse sollen mir im Festlegen von Größen und Positionen von Details helfen. Der Buchinhalt ist eigentlich eine Bauanleitung für ein Airfix-Modell. In der deutschen-, damals in der DDR redigierten und im Westen herausgebrachten Ausgabe, wurden die Hinweise auf den Plastikbaukasten entfernt und durch Schritte für einen Bau nach Plan ersetzt. So ein bißchen eierig zu lesen ist das Ganze schon, ich bin dennoch froh den Band als Hilfe zu haben.
John McKay, The 100-gun ship VICTORY, Conway Maritime Press Ltd
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Was soll ich sagen? Den Band aus der Reihe »Anatomy of the ship« wird sicher vielen bekannt sein. Mehr als 300 technische Zeichnungen die das Schiff im heutigen, restaurierten Zustand präsentieren. Zum Verständnis des Schiffbaus und zur Abnahme von Details eine unverzichtbare Quelle. Auch hier habe ich mir die wichtigsten Zeichnungen auf Maßstab kopiert. Leider fehlt ein Segelplan und eine Zeichnung zum Kupferbeschlag des Unterwasserschiffs.
Das Schiff, Ein Superbuch der technischen Wunderwerke, Stephen Biesty, Gerstenberg
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Ein Jugendbuch als Quelle...? Ja, aber wie! 20 hochdetailierte Schnitte durch ein der »VICTORY-ähnliches« Schiff, bevölkert mit kleinen Szenen aus dem Bordleben und Erklärungen der einzelnen Funktionen und Handlungen der Seemannschaft. Absolut empfehlenswert. Einzig die deutsche Übersetzung ist hier und da etwas holperig (so wird z.B. von der »Dreimastbark VICTORY« gesprochen). Aber Stephen Biesty ist eh einer der größten Sachbuch-Illustratoren so dass die Zeichnungen allein schon ein Genuss sind.
Hinzu kommen noch Moodellbaubücher (zu Mondfeld, Curti, Reed, McNarry) und Bücher und Artikel zum Thema »Nelsons Navy« bzw. »Napoleonische Kriege«.
Der Bausatz
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Abends ratzfatz im Kleinanzeigenmarkt eines Onlineauktionshauses für 13 Euro inkl. Versand den Revell-Baukasten geschossen. Entstanden sind die Gußformen 1959 (die Zahl ist aufs Poopdeck graviert). Zur Qualität des Baukastens kann ich nicht viel sagen. Für mich soll des Angeot »Halbzeug« zum Verarbeiten sein.
Im Vergleich zu meinen skalierten Plänen stimmen die Maße der Revell-Teile mit denen der Hölzel-Zeichnungen aus dem »Hackney« mehr oder minder überein. So kann ich aus dem Plan heraus Teile schneiden und aufkleben. Kartonmodellbau eben... Ich hatte schwerste Bedenken ob ich mit den Kunststoffteilen zurechtkomme, ob ich mit dem Cutter schneiden kann, wie ich kleben muss und vor allem was ich im einzelnen austauschen muss um ein Modell zu bekommen welches mir gefällt. Und wie ich es mit der Bemalung machen soll.
Na, mal sehen was rauskommen wird...
Ach so: Kiellänge der Revell-Klaus-VICTORY: 23,5 Zentimeter