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1767 Marbleheadschoner "Sir Edward Hawke", ein Fahrmodell im Maßstab 1 : 35
Die HMS "Sultana" hat nach der Beseitigung von Leckagen nun doch noch ihr A 10 Zertifikat für die erweiterte Küstenfahrt bekommen.
Und wieder stellt sich die Frage: Was kann ich bauen? Ich habe sie alle um mich versammelt, die Segler mit Lugger-, Lateiner-, Gaffel-, Spriet- und Rahsegel. Manche segeln sehr gut, andere sind behäbiger. Es soll wieder ein Modell werden von ca 50 cm, im Maßstab 1 : 35 und aus der Barockzeit.
Im Buch "History of the American sailing ship" (1935) bin ich fündig geworden. Im V. Kapitel behandelt Howard Chapelle den Ursprung des "Baltimore Clippers" und zeigt als Beispiel dafür den Entwurfsplan eines Topsegelschoners aus der Collection of Draughts of the British Admirality. Das Schiff wurde im Juli 1967 gebaut und offenbar von der britischen Marine übernommen, denn es verfügt über 5 Geschützpforten auf jeder Seite. Bemerkenswert ist der starke Fall der Masten, die hohe Bordwand und das Fehlen von Galion/Scroll sowie der achterlichen Seitenfenstern. Im 1967 erschienenen Buch" The Search for Speed under Sail" hat er weitere Kenntnisse über diesen Marbleheadschoner. Unter der Aufsicht von Captain Kennedy, R.N. wurden in New York für die Navy zwei Schoner für die Jamaica Station gebaut. Die Schwesterschiffe bekamen die Namen von First Lords of the Admirality, "HMS Earl Egmond" und "Sir Edward Hawke". Bewaffnet waren sie mit 8 Drehbassen und 8 langen 3 Pdn Geschützen. Während die zeitgleiche Sultana eine Decklänge von 15,4 Metern besaß, waren diese Schoner 17,6 Meter lang. Sie verfügten auch über eine Verkupferung des Unterwasserteils. Nach Chapelles Untersuchungen sind sie die einzigen frühen Exemplare mit scharfen Linien. Der Unterschied zur Sultana wird auf dem ersten Bild deutlich. Die Pläne des 1780 gebauten Schoners HMS "Berbice" sind uns ebenfalls erhalten geblieben (Bild 2). Die "Berbice" wurde als Sklaventransporter und Schmugglerfahrzeug gebaut. Ihre Linien sind noch schärfer und als Modell hat sie mich enttäuscht. Das Modell (siehe Beitrag # 4) ist rank und bei Starkwind nicht einsetzbar - oder ich müsste Segel bergen.
Antworten dazu werden in Beitrag # 4 gegeben. Hier will ich noch ausführen, was ich über Howard Chapelle und Sir Edward Hawke zusammengetragen habe. Chapelle wird 1901 in Massachusetts geboren. Er arbeitet als technischer Zeichner und Schiffsarchitekt. Nebenbei ist er ein begeisterter Freizeitsegler. Er wächst in einer Zeit auf, als eine Epoche zu Ende geht. Noch segeln die großen 4 oder 5 Mastschoner entlang der Ostküste, aber neue Fahrzeuge werden nicht mehr zu Wasser gelassen. Hölzerne Frachtsegler oder Fischereifahrzeuge werden motorisiert, bzw. durch stählerne Schiffe ersetzt. Chapelle erkennt den Wandel. Er forscht und schreibt über lokale Schiffstypen die gerade verschwinden.Die Great Depression macht viele Schiffsarchitekten arbeitslos. Chapelle wird im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (New Deal) Leiter einer Forschungsgruppe zur amerikanischen Schifffahrtsgeschichte. Im Rahmen dieser Untersuchungen entsteht das obengenannte Buch "The history of the American sailing ship". Chapelle muss bereits zu dieser Zeit und in den USA Zugang zu Planzeichnungen des National Maritime Museums in Greenwich gehabt haben. Während des 2. WKs ist er als Offizier im US Schiffs- und Bootsbauwesen eingebunden. 1950 erhält er für Forschungszwecke ein Guggenheim Stipendium in England und kann im Archiv des National Maritime Museums arbeiten. Vermutlich stammt sein Informationszuwachs zum "Marblehead Schooner" aus dieser Archivarbeit. 1957 wird Chapelle Curator/Leiter der Transportabteilung des National Museums of History and Technologie in Washington (Smithonian Institute).
Edward Hawke (geb. 1705), nach dem das Schiff benannt wurde, stammt aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum. Sein Vater ist Anwalt, ein Onkel ist Mitglied im Parament. Dieser Onkel fördert die Karriere des jungen Marinefähnrichs. Günstig für Hawke sind die Zeitumstände. Das britische Empire expandiert und ständig gibt es Scharmützel mit Frankreich und Spanien. Neue Schiffe werden benötigt und dafür die Offiziere. Er erreicht den Admiralsrang, wird geadelt (Baron) und schließlich First Lord of the Admirality (1766 - 1771). Als die Royal Geographical Society 1768 als Geldgeber einen Zivilisten für die Endeavour Expedition fordert, wird er zu Cooks Fürsprecher. "Lieber würde er sich die rechte Hand abhacken lassen, als dass ..." Dafür gibt es jetzt das Cape Hawke (New South Wales) sowie die Hawke Bay (Neuseeland). Captain Cook war ihm sehr dankbar.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Lieber Klabauterklaus, Marblehead ist eine Hafenstadt, in Essex, Massachusetts. Hier wurden viele Schoner von diesem Typ gebaut. Während die anderen Schoner für Zoll- und Aufklärungszwecke von der britischen navy aufgekauft und dann in England vermessen wurden, -anders ging das nicht, denn man brauchte dafür ein Trockendock- wurden diese beiden Schiffe nach vorher gezeichneten Plänen gebaut. Der Entwurf für die Schwesternschiffe stammt aus dem Jahr 1767. Was macht den Typ aus? 1. Es sind Schoner. Die britische navy hatte bislang Kutter und einmastige Sloops verwendet. Die Schoner benötigen weniger Seeleute und sind wendiger. 2. Sie haben weniger Verdrängung und Tiefgang. 3. Sie sind schärfer gebaut und sind schneller.
Baubild 3.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Fahrbild 3.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Die Bilder zeigen die HMS"Berbice" im Bau und als Segler. Sie ist jünger, gestreckter und gilt als Vorläufer der Baltimore Klipper. Sie ist kein Marblehead Schoner. Dier Navy hatte das neue Handelsschiff (22,4 m Länge) in der Karibik gekauft. Es wurde wohl in der Chesapeake Bay gebaut = Virginia built.
Gruß Jörg
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Über die beiden bewaffneten Schoner ist nur sehr wenig vermerkt. Sie werden als Tender in den Listen geführt. Eingesetzt werden sie als Aufklärer, Geleitschiffe für Konvois, Kaperer, Zoll- und Depeschenboote. Bemannt sind sie mit ca. 30 Mann und geführt werden sie von einem Marineleutnant. 1. Die HMS "Earl of Egmond" wird 1776 condemniert/für fahruntauglich erklärt. Tatsächlich haben alle mir bekannten Marbleheadschoner nur eine kurze Einsatzzeit. Dieser Umstand wird damit erklärt, dass die Bauwerften gewöhnlich "grünes", d.h. wenig abgelagertes Holz verwenden. Da sie kapitalschwach sind, kaufen sie mit dem Vorschuss die Stämme, schlagen und zerlegen sie dann gleich. In England beziehen die Werften das Schiffbauholz aus Skandinavien. Lagerung und Verschiffung haben das Holz durchtrocknen lassen.
2. Die HMS "Sir Edmund Hawke" unter dem Kommando von Lt. Anthony Gibbs wird im Oktober 17770 vor Cartagena, heute Kolumbien von zwei spanischen Wachschiffen aufgebracht und in den Hafen beordert. Auf britischen Druck werden Schiff und Besatzung wieder freigegeben. Ein Kriegsgericht verurteilt Lt. Gibbs wegen Feigheit und Pflichtverletzung. Er wird unehrenhaft aus der Navy entlassen. Über den weiteren Verbleib des Schoners ist mir nichts bekannt.
Die Pläne wurden gescannt und hochkopiert. Das Modell wird 52 cm lang und max. 14,5 cm breit. Das fällt auf: 1. Der Rumpfquerschnitt ist v-förmig. Der vordere Bereich hat einen leichten s-Schlag. 2. Das Schiff hat einen starken Kielfall nach achtern. 3. Der Fußboden der Heckkabine liegt tiefer als das Hauptdeck. 4. Das Schiff hat wenig Freibord. Wasser wird überkommen und das Hauptdeck wird naß werden. 5. Das Schiff hat keine erhöhte Back. Es ähnelt damit der zeitgleichen Chaleur und der späteren Berbice. 6. Die Masten sind stark nach achtern geneigt.
Gruß Jörg
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Das ging ja doch jetzt schneller als er selber dachte. Am Donnerstag sagte er mir noch. Ich habe grade keine Lust zum bauen. Was soll ich denn noch bauen? Mich interessiert gerade nichts.... Und 3 Tage später steht das Spant Gerüst für ein neues Schiff. Jörg....Du baust schneller als du denkst
Ein Leben ohne 3D Druck ist möglich, aber nicht sinnvoll
Aber manchmal denk ich auch, Andi! Da gibt es doch nur den einen Plan von einer Bermuda Sloop, die dann zur Virginia Sloop mutierte und den Schiffbau in den Neuenglandstaaten geprägt hat. Und der wird in allen Büchern über historischen Schiffbau wiedergegeben. Der ursprüngliche Plan ist die No 15 auf Tafel LVII in der ANM von af Chapman. Wie kommt so ein Schiff ausgerechnet in eine schwedische Plansammlung? Darüber sollte man sich doch Gedanken machen!
Also mein Freund Fredrick war 1741-44 in England und hat dort den praktischen und theoretischen Schiffbau studiert. Später, im Jahr 1753, war er wieder in England. In Deptford auf dem Gelände der Marinewerft wurde er wegen Spionage verhaftet. Er kam dann wieder frei und auch seine Zeichnungen und Unterlagen bekam er zurück. Vermutlich gehörte dieser Plan von einer Bermuda Sloop zu den Materialien, die er da gesammelt hat. 1768 hat er den Plan dann in der ANM veröffentlicht. Denke ich mir, denn fragen kann ich ihn nicht mehr.
Der Schoner "Sir Edward Hawke" und sein Schwesterschiff wurden 1767 in New York gebaut und auf dem Bauplan als Marblehead Schoner bezeichnet. Alle mir bekannten Marbleheadschoner aus der prärevolutionären Zeit sehen anders aus. Sie haben einen apfelförmigen Bug, sind breiter und kürzer. Dieses Fahrzeug entspricht sehr viel mehr der 1789 gebauten "Berbice", die allgemein als erster Baltimore Klipper angesehen wird. Die Rumpfformen sind ähnlich, der achterliche Fall der Masten und der Kielfall auch. Wie die "Berbice" hat die "Sir Edward Hawke" ein erhöhtes Achterdeck mit offener Reling und ein nach vorn durchgehendes Hauptdeck. Die "Berbice" wurde als schnelles Handelsfahrzeug für den Sklaven- oder Drogentransport gebaut. In der Karibik wurde sie von der britischen Marine aufgebracht und als Tender der Jamaika Station zugewiesen. Die "Sir Edward Hawke" gehörte 20 Jahre vorher in gleicher Funktion zu dieser Flotteneinheit.
Gruß Jörg
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Die anderen Marbleheadschoner, deren Pläne im NMM verfügbar sind, waren aufgekaufte Frachtsegler. Hier musste man beim Bau einen Kompromis zwischen Schnelligkeit und Ladevolumen finden. Die "Sir Edward Hawke " und ihr Schwesternschiff wurden hingegen als schnelle Tenderboote der Navy entworfen. Dass man um 1768 durchaus Schiffe mit scharfen Linien bauen konnte, zeigt die von af Chapman wiedergegebene "Kosaken", ein Aufklärungsfahrzeug der schwedischen Schärenflotte (zweites Bild). Sie hat eine ähnliche Bugform und auch den deutlichen Kielfall. Wie die "Hawke" hat sie auf beiden Seiten 5 Geschützpforten und das erhöhte Achterdeck mit der "Great Cabin". Zusätzlich hat die "Kosaken" zahlreiche Riemenöffnungen und eine erhöhte Back. Die Schiffe hatten Rahtopsegel an beiden Masten.
Da der Rumpf der "Hawke" nach dem Auftragen von Epoxi noch aushärten muss, habe ich heute nur den Schiffsständer hergerichtet.
Gruß Jörg
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Das Unterwasserteil wurde geschliffen, der Rumpf von der Helling getrennt und die Mallen entfernt. Anschließend wurde das Unterwasserteil mit Spritzspachtel versehen. Wie ich befürchtet hatte, sind da einige Dellen. Wegen dem großen Abstand der Mallen. Die Unebenheiten wurden überspachtelt. Innen wurden auf jeder Seite zwei Gewebestreifen einlaminiert um den Rumpf zu festigen. Die restlichen Planken im Achterbereich wurden gesetzt. Die "Sir Edward Hawke" war sicher ein schnelles Fahrzeug.
Gruß Jörg
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Mit den 5 Stückpforten wird der Marbleheadschoner dem schwedischen Fahrzeug immer ähnlicher. Das Achterdeck mit der Kabine ist aber bei der "Kosaken" wesentlich kürzer. Auch ist dieser Schoner breiter und damit die bessere Geschützplattform. Die "Kosaken" war in "muddy waters", das sieht man ihr an. Das "falsche" Hauptdeck ist eingebaut und zahlreiche Decksplanken wurden verlegt. Am Schott hinten sieht man die Anlenkseile mit ihren Umlenkungen. Vor dem Fockmast ist ein Loch auszumachen. Mit einem Draht hole ich mir dort später das Seil für die Stagfock. Morgen mache ich das Deck fertig, beize es und trage Epoxi auf. Parallel dazu fertige ich das Ruder, denn es muss ebenfalls mit Epoxi versehen werden.
Gruß Jörg
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Es war Mitte Juni (2022), da durfte die HMS "Sultana" das erste Mal segeln. Sie konnte es noch nicht so gut, aber jetzt zeigt sie der HMS "Sir Hawke", wie es geht. Alleine ist sie dann doch schneller, aber beeindruckender von der Segelfülle ist der schwedische Schärenschoner "Kosaken". Das zweite Bild macht wieder deutlich, dass die "Sultana" halt recht klein war.
Gruß Jörg
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Zitat von zackermann im Beitrag #6Am Donnerstag sagte er mir noch. Ich habe grade keine Lust zum bauen. Was soll ich denn noch bauen? Mich interessiert gerade nichts.
...wie wäre es denn mit solch einem 'Gefährt', Jörg ? Natürlich braucht man dafür wesentlich mehr Holz und einen Anhänger mit Zwillingsachse.