Es fing mit einem Dachbodenfund von Emily an und etwickelte sich zum Faden zu den Ulmer Schachteln.
Welches Jahr darf ich eintragen?
emily.ndh
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
s-l1600 (1).jpg
s-l1600 (2).jpg
s-l1600.jpg
Ich will sie auch nicht bauen, hat ja keine Segel und viel zu viele Riemen. Sehr verdächtig.
Aber die Historie interessiert mich sehr. Am Ulmer Rathaus sind ja üppige Darstellungen dieser Schiffe wiedergegeben. Ursprünglich transportierte man Güter und Menschen mit Flößen. So ein Boot aus Brettern benötigte aber weniger Holz. Am Bestimmungsort wurde es zerlegt und das Material als Brenn- oder Bauholz verkauft. Zurückkehren konnte es nicht. Diese "Zille" eignete sich für die Beförderung von Personen, Waren und Truppen. Entlang der Donau wurde ja jahrhundertelang gegen die Türken gekämpft. Zahllose Auswanderer benutzten sie, da waren die Donauschwaben, die nach dem durch Krieg entvölkerten Ungarn/Banat zogen. Nach 1817 fuhren schwäbische Pietisten nach dem fernen Georgien, da sie sich die Wiederkehr des Gottessohns auf dem Ararat erhofften. Der Ararat war auf türkischen Gebiet, da waren sie nicht willkommen. Aber in Georgien waren sie praktisch in der ersten Reihe. Mit den Schachteln ging es die Donau runter und dann mit dem Seeschiff nach Batumi.
Diese Ulmer Schachtel ist ein flatboot. Den gleichen Tpy gab es auf dem Mississippi auch. Der junge Abraham Lincoln machte 1828 und 1831 als Steuerer Reisen auf solchen Booten. Von Springfield, Illinois trieben sie flußabwärts nach New Orleans. Dort verkauften sie ihre Farmprodukte und das Boot. Danach liefen sie dann den weiten, weiten Weg zurück. Parallel zum Fluß ist der Natchez Trace, der führt bis nach Nashville. Es ist ein alter Handelpfad, den schon die Indigenen benutzten. Dort lauerten Wegelagerer, denn die Heimkehrer trugen ja das Geld mit sich.
So, liebe Emily, mehr wirds nicht. Aber nun werden sich sicher zahllose Interessenten für Deine Schachtel melden. Ich habe sie tüchtig beworben, jawohl!
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Liebe Schachtel, äh .. Emily, äh, äh... Thomas, glücklicherweise ist das mit der Gebrechlichkeit noch weit von uns entfernt. Trotzdem solltest Du nicht so lange auf diesen Bohnenstangen verweilen. Hier noch ein Bild zu den flatboats. In Amerika ist ja alles etwas größer. Aber so muss man es sich vorstellen. War in der Nähe von Vicksburg. Auf dem Rhein ist mehr Schiffsverkehr.
Lieber Thomas, Der Ursulinenorden (mein ehemaliger Arbeitgeber) ist ja ein Bildungsorden und den gibt es weltweit. In New Orleans und auch in Quebec stand ich vor Ursulinenschulen, die erkenne ich sofort. Beide Städte wurden einst von Franzosen gegründet und haben heute noch einen hohen katholischen Bevölkerungsanteil. Vicksburg ist eine kleine verschlafene Stadt auf einem steilen Hügel über dem Mississippi. Niemand würde dort Station machen, aber hier wurde Geschichte gemacht. Das war im Bürgerkrieg und Vicksburg war das Gibraltar am Old Man River. Als die Stadt 1863 von den Truppen des Nordens eingenommen wurde, war das genauso verheerend wie die Niederlage bei Gettysburg. Nun konnte der Fluss von oben bis unten von Kriegsschiffen des Nordens kontrolliert werden und der Süden war zweigeteilt, d.h. die Staaten westlich des Flusses konnten den Süden nicht ungestört versorgen. Ich war da. Hier ist die gehobene USS Cairo ausgestellt.
Also mich stören solche Namen wie Vicksburg nicht, Thomas. Seitdem ich in den Semesterferien immer im Schlachthof das Separatorenfleisch für die Biowurst zubereitet habe, schaffe ich alles.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Eine rechte Schachtel war auch die USS Chillicote. Sie war eigentlich eine Fehlkonstruktion, aber im Krieg brauchte man alles, was bewaffnet war. Sie war viel zu schwach gepanzert und ständig undicht. Das lag auch daran, dass diese Schiffe keinen Kiel/Rückgrat hatten. Wie die antiken ägyptischen Fahrzeuge hatten sie dafür ein Sprengtau, das über Stützen geführt wurde. Bei der Chillicote waren es Eisendrähte. Das Schiff kämpfte oberhalb von Vicksburg auf dem Yazoo River und wurde mächtig zusammengeschossen. Auf dem Yazoo River wurde später die USS Cairo durch eine Südstaatenmine versenkt. Die USS Chillicote wurde nach dem Krieg abgerüstet und fuhr dann als Frachtschiff. Nicht lange, denn wie viele dieser Steamboats brannte sie einfach mal ab. Sie hatte neben den Seitenrädern noch zusätzlich 2 Propeller. Wahrscheinlich mehr als Steuerhilfen. Ja, solche Dinge sollte man einfach wissen.
Sehr schön , deine Ausführungen , Jörg , @Gebbi . Dein Hintergrundwissen und deine geschichtlichen Eingebungen sind wie immer eine Bereicherung . Sehr spannend zu lesen . Das muss an dieser Stelle mal lobend erwähnt werden .
Guter Thomas, ich wollte auch mal nach oben. In die Chefetage von so einem Forum. Die wollten da aber keinen Freigeist.
Du, wir müssen die Kurve kriegen. Wieder hin zur blauen Donau. Dieser Fluss und auch der Rhein waren früher natürliche Grenzen. In der spätrömischen Zeit bauten die Römer ihre Naves Lusoria als Wachtschiffe. Im Museum in Mainz sind mehrere davon zu sehen. Die Habsburger entwickelten die Tschaiken gegen die Osmanen. Das erste Bild zeigt eine solche Tschaike und sie hat einige Übereinstimmungen mit der Ulmer Schachtel. Da ist der flache Boden, die geraden Wände und das Bootsheck. Natürlich waren die Tschaiken schmäler, sie mussten ja gerudert werden. Bei der Besegelung musste man vorsichtig sein. Es gab da immer wieder Fallwinde und hohen Wellengang, der den Fahrzeugen mit wenig Freibord gefährlich werden konnte. Die Türken verwendeten ähnliche Boote, aber es gab Unterschiede. Die Ruderer standen und zwar in Fahrtrichtung, das Boot hatte vorn einen Sporn und die Geschütze waren am Bug fest eingebaut, d.h. das Boot wurde vor Schussabgabe in Zielrichtung gebracht. Das dritte Bild zeigt eine Halbtschaike, diese waren wegen ihrer Größe und Beweglichkeit die meistgebauten Patrouillenschiffe. Man sieht über dem Schiff den eingerollten Regenschutz, Blendungen schützen die Ruderer vor Sniper, die Drehbrassen waren schwenkbar und es gab Finknetze für die persönlichen Sachen der Besatzung. Die Ruderer waren mit Gewehr und Seitengewehr versehen, sodass sie jederzeit Stoßtruppunternehmungen ausführen konnten. Sie schliefen auf dem Boot. Dafür wurden zwischen den Ruderbänken Bretter eingehängt und somit eine durchgehende Ebene geschaffen. Nachdem 1867 die Festung Belgrad den Türken entrissen worden war, konnte die Donau bis zur Mündung befahren werden. IMG_2041.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)IMG_2042.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)IMG_2043.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Gruß Jörg
Quelle: Nassern, Tschaiken, Canonierbarken, Kurt Schaefer, Wien 2008
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Deine Ulmer Schachteln waren ja nur "Einwegfahrzeuge". Die Österreicher benutzten sie als Avisofahrzeuge und transportierten damit Truppen, Kanonen, Pferde, Verpflegung und Ausrüstung.
IMG_2045.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Die größten Fahrzeuge der türkischen Donauflottille waren Galeeren, die Österreicher setzten ihre Tschaiken ein. Bei der Belagerung von Festungen und Städten benötigte man größere Schiffe, die schwere Geschütze tragen konnten. Die dargestellten "welschen Schiffe" entsprechen in ihrer Ausführung den Seeschiffen der Zeit um 1550. Sie sind mit Bug- und Heckkastellen ausgestattet. Zur Verbesserung der Manöverierbarkeit haben sie Riemen und Kehrruder. Das rechte Bild zeigt sogar dreimastige Karacken. 1715 fordert Prinz Eugen für die Eroberung von Belgrad schwere kanonentragende Schiffe, 1768 wird in Klosterneuburg (Kriegswerft) die letzte Donaufregatte zu Wasser gelassen. Am Bau beteiligt war der schwedische Schiffsbaumeister Erik Ahsberg. Er war ein Kollege von F. af Chapman und hatte gemeinsam mit ihm an Entwürfen für die schwedische Schärenflotte gearbeitet. Ahsberg brachte also die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen für Flachwasserschiffe mit. Der Nachteil dieser großen Schiffe war, dass sie im flachen, unregulierten Flusswasser schlecht zurecht kamen. Beim Rückzug mussten sie häufig aufgegeben werden, da sie gewisse Abschnitte (eisernes Tor) nicht bewältigen konnten. Ihre "Lebenserwartung" war kurz, -max. 10 Jahre- denn für diese großen Fahrzeuge gar es keine Dockeinrichtungen.
Gruß Jörg
Bildquelle: siehe Beitrag # 9
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
IMG_2047.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)100_4931.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Österreich war ja im 18. Jh. ein Binnenland und tat sich schwer beim Bau von Fregatten. Für den Bau der "S. Maria" 1716 (nach dem Aufruf von Prinz Eugen) engagierte man in Klosterneuburg den britischen Schiffbaumeister Thomas David(s). Die Offiziere und Matrosen wurden in Hamburg rekrutiert, der Kapitän war ein Däne. Das Schiff war ein Dreimaster und ein Zweidecker. Das untere Deck teilten sich die Ruderer mit den 12 pf. Geschützen. Das fertige Schiff wurde erst kurz vor Belgrad mit Kanonen bestückt, denn nun lag es noch tiefer im Wasser. Nach dem Fall von Belgrad diente es als Depotschiff vor Ort. Die Masten und Geschütze hatte man entnommen. Die "S. Maria" konnte wegen der starken Strömung nicht mehr zu ihrem Ursprung zurückkehren und wurde schließlich als Brennholz veräußert.
Dazu einige eigene Erkenntnisse. Meine Rahsegler brauchen Raum um auf Gegenkurs zu kommen. Bei einem Modell mit Schratsegeln ist es einfach. Mit dem Ruder leitet man die Wende ein, die Segel schlagen um und das Boot kommt zurück. Das geht mit Rahsegeln nicht so flott und so ein Schiff auf dem Fluss ist eigentlich eine Dummheit. Aber es macht halt sehr viel mehr Eindruck. Am liebsten baue ich Segler mit einer Kombination aus Rah- und Schratsegeln. Da ist das Segeln anspruchsvoller, als nur mit Schatsegeln. Das brauche ich!
Die letzte Donaufregatte war wie oben (1769) ausgeführt die "Theresia" Sie hatte eine Briggtakelung. Um die "Hohe Pforte" zzu beschwichtigen, gab man das Schiff als Lustfahrzeug der Kaiserin aus. Es wurde zunächst eingemottet und kam 20 Jahre später zum Einsatz. Da hatte man es aber gehörig umgebaut und verkleinert. Auch um Gewicht zu sparen.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Mein Großvater war in Ulm aufgewachsen und irgendwann hat er dann mal ein Modell einer Ulmer Schachtel aufgetrieben und hatte es in seinem Büro aufgestellt. Es war aber ein sehr grobes Modell, so daß ich es nicht gehalten habe.
Offenbar gab es unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Bemannungsstärken, die entsprechend unterschiedlich lange für die Reisen brauchten. Es gab wohl 'Expreßboote' mit mehr oder weniger fixen Abfahrtszeiten.
Es gibt keinen 'korrekten' Pläne, da diese Prähme oder Kaffenkähne, wie man im Osten Deutschlands sagen würde, nach Augenmaß und Erfahrung gebaut wurden. Die Gesamtlänge richtete sich nach der Länge der verfügbaren Bretter.
... oder das oben angepriesene Kartonmodell als Vorlage für ein Holzmodell nehmen (Kostenpunkt 5,90 €). Die Abwicklungen und herausgezeichneten Bauteile sind perfekt dafür. Und wenn was nicht passt, wirds passend gemacht und entspricht immer noch der Realität. Das könnte ein extrem entspanntes Modellbauprojekt werden!
Die Ulmer Schachteln haben diese "Brücken" für die Steuerleute. Diese Aufbauten findet man auch bei den Weinschiffen auf dem Douro in Portugal. Das Weinbaugebiet liegt im Alto Douro und der Wein wurde auf den Flussbooten zur Mündung gebracht. Auf der gegenüberliegenden Seite von Porto befinden sich noch heute die Lagerhäuser der Weinexporteure (Sandeman). Die Boote mussten einen Höhenunterschied von ca. 700 m auf 200 Flusskilometer hinunterfahren. Auf dem unregulierten Douro mit den steilen Hängen war das anspruchvoll. Die leeren Boote wurden später wieder ins Weingebiet zurück getreidelt. Auch konnte das Lateinersegel eingesetzt werden. Inzwischen ist der Strom durch 5 Staumauern gebändigt, der Wein wird mit Tanklastzügen befördert , diese Boote sind motorisiert und drehen ihre Runde mit zahlungswilligen Touristen.@Marten
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!