Diese nicht mehr ganz junge Lady ist mir gestern auf dem Flohmarkt zugelaufen.
Sie ist knapp 40 cm lang, der Rumpf ein Holzblock, die Aufbauten allerdings aus Blech und Messing, mit dem Rumpfblock verschraubt. Auch Lüfter und Davids stecken mit Schraubenfortsätzen entweder im Holz oder in Muttern. Der Zustand geht aus den Bildern, so denke ich, ziemlich deutlich hervor. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Takelage bereits einmal repariert worden, mittlerweile aber wieder recht ramponiert. Das Modell erinnert sehr stark an gewerblich hergestellte Schiffsmodelle aus dieser Zeit, insbesondere durch die dramatische Verkürzung der Proportionen. Googelt man Blechspielzeug aus der Zeit um 1900 findet man sehr ähnliche Silhouetten. Auf dem Bild nicht so deutlich zu erkennen: drei geprägte Namensschilder mit dem Text „Berlin. Harwich". Mit diesen Anhaltspunkten ergibt sich folgender Hintergrund: SS Berlin wurde 1897 für ein englisches Fährunternehmen gebaut und pendelte zwischen Harwich und Hoek van Holland. 1907 lief das Schiff vor der holländischen Küste auf Grund und brach auseinander. Der Bug versank, ca. 140 Passagiere und Besatzungsmitglieder starben, einige andere wurden in einem Aufsehen erregenden Rettungsunternehmen vom Heck geborgen. Meine Fragen: Steht das semiprofessionell gebaute Modell mit diesem Ereignis in einer Verbindung? Und natürlich: Restaurieren oder nicht restaurieren? Schmidt
ich habe zwar keine Ahnung, ob dein Fund nun eine Kostbarkeit ist, aber zum wegwerfen ist er sicherlich zu schade. Zudem finde ich das Schiffchen ganz süss 😉 Wenn du also Lust am Basteln hast, dann rette es doch!
Ganz klare Antwort: bitte restaurieren! Das ist einfach ein schönes, altes Modell welches Liebhaberwert besitzt und verdient hat, gerettet zu werden. Was das Modell wohl schon alles überstanden haben mag... und jetzt landet es bei Dir! Du trägst nun die Verantwortung dass die Geschichte weiter geschrieben wird.
Auf dem Wasserfloh-Markt findet man ja noch wahre Schätze!
Also, wie schon von Klabauter angedeutet: Bitte restaurieren! Das Schiffchen also nicht wie neu machen, sondern es konservieren, unsachgemäße Reparaturen und Ergänzungen rückgängig machen und Farbverluste nur punktuell vorsichtig retuschieren, ohne die erhaltene Substanz zu übermalen. Oder den Erhaltungszustand einfach akzeptieren und auf Retuschen ganz verzichten. :-)
Dann werde ich es einmal mit einer "behutsamen" Restaurierung versuchen. Als erstes wird zu erkunden sein, inwieweit das Modell tatsächlich zerlegbar ist. Gestern habe ich schon (an einem anderen Objekt) geprobt, ob eine auf Hochdruck eingestellte Airbrush mit Laugenfüllung als Minikärcher fungieren kann. Schmidt
Es scheint sich tatsächlich um eine etwas "knuffige" Darstellung exakt DIESER 'Berlin' zu handeln. Ich würde vermuten, daß es von einem der Seeleute an Bord hergestellt wurde. Es wäre vielleicht ganz interessant zu versuchen, die Geschichte des Modells herauszubekommen.
Und, bitte: ganz vorsichtig restaurieren!
VG, Herbert
It ain't a hobby, if you gotta hurry! -- Die Wahrheit triumphiert nicht. Ihre Gegner sterben aus. -- If you don't get older and wiser... then you just get older.
"In 20 Jahren wirst Du mehr enttäuscht sein, über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume." - Mark Twain
Eine Demokratie lebt von der Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen. Das setzt aber voraus, dass man die Stärke besitzt, die Meinungen der anderen zu ertragen. - Ein totalitäres Regime ist immer ein Zeichen von Schwäche der Machthaber. - Ich liebe es, in einer Demokratie zu leben!
Wieso Seeleute? Dass war ein Schiff dass fast taeglich von Hier zum Ueberseite gung.Die Seeleute haben doch kein zeit zum bauen ... Konnte auch gemacht sein fuer ein kind das das Schiff jedem Tag an seinem Tuer vorueber gehen sah. (Ah bitte Papa, so einer moechte ich haben....)
schon mal was von "Freiwache" gehört? - Und Langeweile? - Und daß man jahrelang immer auf demselben Schiff fahren kann?
Die Seeleute haben durchaus Zeit zum bauen. - Aber keinen Platz für das Modell. - Deswegen musste es etwas "kompakter" als das Original werden. - Aber man kann es trotzdem wieder erkennen.
Jemand, der im Hafen lebt, sieht das Schiff ja kaum. - Woher soll er also all' die Kleinigkeiten kennen? Jemand, der an Land ein Modell baut, hat auch meistens den Platz dafür. - Es muss also nicht so kompakt sein.
Nur mal so laut gedacht...
Viele Grüße, Herbert
It ain't a hobby, if you gotta hurry! -- Die Wahrheit triumphiert nicht. Ihre Gegner sterben aus. -- If you don't get older and wiser... then you just get older.
"In 20 Jahren wirst Du mehr enttäuscht sein, über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume." - Mark Twain
Eine Demokratie lebt von der Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen. Das setzt aber voraus, dass man die Stärke besitzt, die Meinungen der anderen zu ertragen. - Ein totalitäres Regime ist immer ein Zeichen von Schwäche der Machthaber. - Ich liebe es, in einer Demokratie zu leben!
Ja, so habe ich auch gedacht, aber dann habe ich mich andere gedankgen gemacht. Diese SS Berlin war ein Faehre zwischen Hoek van Holland und Harwich. Das ist 7 Stunden fahrt, und im Hafen so Schnell wie moeglich menschen und Fracht wechseln, und wieder zuruck. Ich weiss nicht ob da viel Zeit zum bauen war, Weiss auch nicht wieviel raum das Personal hat auf diese Schiffe. Und ich weiss dass in Hoek (und nicht nur in Hoek) immer menschen die an- und abfahrt der Faehre (und andere Schiffe aus Rotterdam) ankucken.
Noch ein gedanke: ich Weiss nicht ob dass ein Modell von diese SS Berlin ist: diese Berlin hat nur ein Deck, dass Model zeigt ein Schiff mit zwei Decken.
Interessante Überlegungen. Ich vermutet aber, daß jemand, der auf dem Schiff gefahren ist, bei einem Modell nicht die Proportionen verkürzt hätte, jedenfalls nicht so drastisch und offensichtlich. Eher waren die Seeleute ja bestrebt ihr Schiff größer erscheinen zu lassen indem sie das Rigg überhöht haben. Nee, ich denke, daß das Modell von vorne herein für ein Kind gebaut wurde und daher die kindlichen Proportionen. Und daß es gewerblich hergestellt wurde.
Ich bin mittlerweile vollkommen überzeugt davon, dass die semiprofessionell wirkenden Namensschilder am Rumpf des Modells (Berlin) eine (nachträgliche?) Umbenennung darstellen, deren Gründe wir wohl nie erfahren werden. Am wahrscheinlichsten ist, dass die etwa dreißig Jahre jüngere Vienna, die auf derselben Route verkehrte, das Vorbild für das Modell ist. Später mehr zur „historischen Forschung“. Was habe ich in der Zwischenzeit gemacht? Zuerst wurde das Modell gesäubert. Das ging ganz hervorragend, da es sich durch das Lösen weniger Schrauben weitgehend demontieren ließ. Leider kam unter dem Säuberungsstrahl der Airbrush eine Erstlackierung zum Vorschein, deren Qualität man nur verstehen kann, wenn man davon ausgeht, dass der Erbauer zur Bemalung nur den Backpinsel seiner Ehefrau und eine alte Zahnbürste zur Verfügung hatte. Ich kenne das Phänomen von anderen Modellen: ein ganz ambitionierter Bastler schreitet nach Fertigstellung zum „Lackiermord“ an seiner Arbeit. Tatsächlich sah das Modell mit seiner Schmutzschicht ein bisschen besser aus als ohne. Ich habe also alle Farben aus Enamels angerührt und das ganze Modell exklusive Bordwand neu gestrichen. Ich zeige davon keine Bilder, um mir hier nicht den Vorwurf der Schändung einer Antiquität zuzuziehen. Nach gründlicher Abtrocknung habe ich das Modell mit verdünnter Ölfarbe lasiert. Für mein Empfinden sieht es jetzt so aus, als wäre die erste Lackierung vor achtzig oder neunzig Jahren besser gelungen und hätte das Modell die Folgezeit an einer einigermaßen geschützten Stelle zugebracht. Die folgenden Bilder machen vielleicht einen Vergleich möglich.
Hat ein bisschen gedauert, aber jetzt ist meine nicht-Berlin fertig. Ich hatte ja oben schon beschrieben, dass ich sie demontiert, dann neu lackiert und anschließend wieder patiniert habe. Es blieb dennoch hier und dort etwas auszubessern oder ein bisschen mit Farbe nachzuhelfen. Abschließend habe ich die Takelage ähnlich schlicht rekonstruiert, wie das Modell sie wohl zunächst gehabt hat. Jetzt geht es an die familieninterne Diskussion darüber, wo der kleine bunte Käfer stehen darf.