Das eiserne Dampfkanonenboot II. Klasse OTTER (I) lief 1877 auf der Elbinger Schichau-Werft vom Stapel. Das kleine, nur rund 130 t große Boot, sollte zur Piratenjagd nach China entsendet werden. Das Schiff hatte einen geringen Tiefgang der Operationen nahe der Küsten und auf Flüssen möglich machen sollte.
Bewaffnet war das Schiff mit einer 12 cm Ringkanone im Bug und zwei 8 cm leichten Stahlkanonen in Decksaufstellung. Das Buggeschütz konnte durch Umstellen in drei verschiedene Pforten sowohl voraus als auch seitlich feuern.
Die Dampfmaschine wirkte auf zwei Schrauben, zusätzlich dazu war eine Schonertakelage aufgebaut um weite Strecken kohlesparend zurück legen zu können. Aufgrund des geringen Tiefgangs wurden beidseits Seitenschwerter geführt um das Schiff auf Kurs zu halten (so etwas hatten später die deutschen Flusskanonenboote in China ebenfalls).
Kurios ist der Lebenslauf des Schiffes: In China war OTTER (I) nie. Das Schiff war schlicht zu klein für die lange Reise auf eigenem Kiel. Noch nicht einmal eine Fahrt um Skagen wurde der Einheit zugetraut so dass OTTER eines der wenigen Schiffe - oder gar das einzige - Schiff der Kaiserlichen Marine war, welches durch den alten Eider-Kanal in die Nordsee kam. Auch in Sachen "Wehrhaftigkeit" konnte das kleine Schiff nicht überzeugen sodass es schon 1880 nicht mehr als Kanonenboot sondern als Tender eingesetzt wurde.1926 wurde das Schiff - nachdem es durch mehrere Hände gegangen war - abgewrackt.
OTTER (I) ist ein sehr reizvolles Modell. Meine Darstellung aus Karton und Papier im Maßstab 1:250 gebaut. Das Modell basiert auf einem Bogen aus dem Verlag »Die Kartonwerft«. Der angebotene Bogen ist jedoch in weiten Teilen nicht so wie es meine zu Grunde liegenden Originalzeichnungen darstellen. Somit habe ich sehr viele Dinge neu konstruieren müssen.
Der bullige Bug der zeitgenössischen Panzerschiffe trifft auf eine schnittige Schonertakelung gepaart mit eher ewertypischen Seitenschwertern. Ein kurioses kleines Schiff unter kaiserlicher Kriegsflagge...
Klabauter
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Hallo Klaus, Der Meister hat gesucht und gesucht. Und was gefunden: Also ich habe nur dieses verblasste Bild. Das habe ich in einem Museum gemacht. (Rostock?) Später habe ich im Internet dann Daten zusammengetragen. Die Länge war 29 m. SMS Otter soll das kleinste Kriegsschiff der kaiserl. Marine gewesen sein. Auf meinem Bild hat sie keine Beseglung mehr und keine Seitenbretter. Dann habe ich noch herausgefunden: Imogen Stowasser hat einen Kartonbaupan für € 18 in 1 : 100. Stamm Modellbau und Verlag für Technik u. Handwerk haben Baupläne für € 22 in 1 : 50.
Ja, ich habe mich mal ganz intensiv damit befasst, aber dann mein eigenes Kanonenboot gebaut. Nach einem Plan von K.H. Marquardt, aber verlängert.
Gruß Jörg
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Kann es sein dass Du das Modell ohne Masten in Danzig gesehen hast?:
Das Schiff war 31 Meter über alles und 29,1 Meter in der Wasserline lang. Das kleinste Kriegsschiff der Kaiserlichen Marine? Das steht bei Wikipedia und auf der Seite der Kartonwerft. Was ist mit den frühen Torpedobooten, Peilbooten, flachgehenden Minensuchbooten, Klein U-Booten (Typ UC), Schleppern, Tendern?
Das Schiffe hatte Masten und Segel. Selbst als Tender waren Masten vorhanden.
Den Kartonmodellbogen habe ich zur Grundlage meines Modells gemacht.
Imogen hatte aber offensichtlich nicht die Originalpläne gekannt (eine Antwort auf die Frage ist momentan noch offen). Insofern habe ich an meinem Modell mehr als die Hälfte aller Teile neu gezeichnet und gebaut. Die Takelage hat Imogen z.B. nur »gegißt«. Es gibt Quellen die eben das Vorhandensein der Takelage verneinen. Vgl. den Link oben in meinem Beitrag zur Kartonwerft und den Link zum hervorragenden Modell auf der AK-Seite (oder eben mein kleines Modellchen... )
Hier nochmal das Schiff als Tender. Mit ein paar Umbauten (erhöhtes Achterdeck, erweiterete Brücke), aber mit Masten.
Ja, Klaus, in Danzig war es. Bin halt geistig nicht mehr so gut drauf. Du schreibst, dass die Otter zur Piratenjagd vor China und auf den Flüssen vorgesehen war. Als alter Geschi-Lehrer, der davon keine Ahnung hatte, habe ich gesucht. Reichsgründung war 1871, Stapellauf des Schiffes 1877, Erwerb von Tsingtau 1898. Wie macht das Sinn? Ich habe da ein Buch: "Die China-Fahrt", Dampfer "Aktiva" und Kapitän H.P.Christiansen, von Gert Uwe Detlefasen u. Dietrich Haas, Hamburg 1983
1842 erreichten die Engländer die Öffnung der chinesischen Häfen (Friede von Nanking). Es bestand ein hoher Bedarf an Gütern, aber China und Japan verfügten über keine hochseetüchtigen Flotten. Wegen der Tonnageknappheit waren also gute Frachtraten zu erzielen. Als um 1880 die Frachtraten in der Nord-Ostseefahrt rapide fielen, entschlossen sich Makler und Reeder Dampfschiffe nach Fernost zu schicken. Der Suez Kanal war 1869 eröffnet worden. Im Februar 1887 erreichte die nur 700 Ladetonnen tragende "Aktiva" aus Flensburg den Hafen von Hongkong. Schon einen Tag später meldeten die "Flensburger Nachrichten" die glückliche Ankunft (4.2.). Der Telegrafenweg über viele Zwischenstationen hatte hervorragend schnell funktioniert. 1890 kehrte das Schiff nach Flensburg zurück. Schwierig für die Schifffahrt war die unzureichende Betonnung und Befeuerung, der Mangel an Lotsen und die ausgeprägten Barren an den Flussmündungen. Hinzu kam die Bedrohung durch Piraten, die für ein kleines und langsames Schiff wie die "Aktiva" sehr negativ war. Daher denke ich, dass der Einsatz der Otter zum Schutz deutscher Handelsinteressen geplant war. Dampfer "Aktiva", Länge 52 m, offener Kommandostand, Besegelung Bild aus dem obengenannten Buch von G.U. Detlefsen und D. Haas Gruß Jörg
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Ui, die AKTIVA gefällt mir aber gut! Ganzganz süß der Dampfer!
Du kombinierst gut, eine fundierte Auskunft über den Beginn deutscher Handelsinteressen in China kann ich aber leider nicht geben. Turnten nicht schon in den 1870ern Deutsche Handelsmänner in China herum? OTTER wurde jedenfalls als Piratenjäger für China bestellt. Das Schiff wurde vor Vergabe des Marineauftrages von Herrn Schichau geplant. Der umgekehrte Weg war eher üblich. Schichau wollte sich mit seinem Entwurf – der in manchen Punkten von den Standarts der Marine abwich – seinen ersten Marineauftrag sichern.
Ich kann mit dem Dokument »Vorläufige Instruction für die Commandanten deutscher Kriegsschiffe in Betreff der Unterdrückung der Seeräuberei in den chinesischen Gewässern, vom 20. August 1877.« dienen (liegt im Anhang). Dieses kreist die möglichen Aktivitäten der OTTER ein. Woher ich das pdf habe weiß ich nicht mehr (aus dem Forum Marinearchiv vielleicht?). Interessant ist es zu lesen, dass darin der Kampf gegen die sog. »Stinktöpfe« der chinesischen Piraten beschrieben wird. OTTER hatte ein regelrechtes, rundum geschlossenes Bugkastell in dem sogar – sehr unüblich! – ein Ruderstand installiert war. Bisher konnte mir kein Kundiger die Funktion dieses Ruderstandes erklären. Vielleicht war das gar ein Gefechtstand für eben einen »Stinktopf-Angriff«?
Überhaupt: Was waren »Stinktöpfe« eigentlich?
Es bleibt spannend...
Klaus
Klabauter
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Hallo Klaus, Bei meinen Recherchen zu der Chekiang Dschunke stieß ich auf diesen Bootstyp:
Es ist eine Lorcha oder Lorch und die Bezeichnung ist portugiesisch. Das Haupteinsatzgebiet war um Macau. Die Besegelung war chinesisch -zur Tarnung ?,Vertrautheit der Matrosen ?- der Rumpf war europäisch. Die ersten Lorchas wurden 1843 zum Schutz gegen Piraten von Portugiesen bei Konvoifahrten in der Bucht von Kanton eingesetzt. 1847 wurde mit sieben Lorchas bei Ningpo gegen Piraten gekämpft, und ab 1865 soll sie nur noch in den Gewässern um Macao gegen Piraten operiert haben. Mit dem flachen Boden und der großen Segelfläche konnte sie schnell lavieren und geschickt manöverieren. Die Anzahl der mitgeführten Geschütze war je nach Größe und Einsatz unterschiedlich. Die Mannschaft war mit Musketen, Schwertern, Hellebarden und Speeren ausgerüstet. Die Lorcha stellte mit ihren erfahrenen Seeleuten einen guten Handelsschutz für die chinesische Küste dar und ermöglichte die Aufrechterhaltung der Niederlassung in Macau. Text und Abbildung aus: Chinesische Seedschunken, Peter Wieg, Rostock 1984 (Blaue Reihe) S. 65 f.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Piraterie war (und ist) ein Problem im chinesischen Meer. Seit Mitte des 19. Jh. hatten die Europäischen Handelsmächte und die USA Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern stationiert, um ggfs. gegen Piraten vorgehen zu können und gefangene Seeleute zu befreien. Deswegen war z.B. der preußische Kriegschoner FRAUENLOB dort und ist vor genau 157 Jahren und 20 Tagen dort in einem Taifun untergegangen.
Die Vorschriften der Versichererer erforderterten, daß auch die Handelschiffe mit leichten Geschützen und Handwaffen auszurüsten waren. Die Kapitäne und Seeleute hatten dabei aber gemischte Gefühle, da sie bei freiwilliger Übergabe eher mit dem Leben davon kamen. Wenn Schiffe trotz Widerstand gekapert wurden, wurde die Besatzung meist gefoltert und dann massakriert. Davon gibt es jede Menge zeitgenössischer Zeitungsberichte und Protokolle der deutschen Seeämter. Im Fall eines bremischen Schiffes z.B. wurde die Besatzung nur mit den Kleidern auf dem Leib nach der Kaperung in einem Boot ausgesetzt - nachdem sie auf einer Insel gelandet waren, raubte ihnen die lokale Bevölkerung schließlich auch noch die Kleidung; irgendwie sie aber doch noch in ein deutsches Konsulat und dann wieder in die Heimat gelangt, weswegen wir davon wissen.
Nebenbei bemerkt: im Mittelalter ging es an deutschen Küsten ähnlich zu ...
Danke für den »Stinktopf«. Klar, bei Wikipedia hätte ich Dussel auch mal gucken können...
Gebbis Lorcha könnte man als Piratenschiff bauen. Als ich meine OTTER plante, dachte ich an eine kleines Diorama. Ein fiktiver Kampf des kleinen deutschen Kanonenbootes mit einer chinesischen Piraten-Dschunke. Da überlegte ich,welchen Dschunkentyp ich hätte nehmen können (richtiges deutsch?). Ich hätte dann pc-mäßig ein zerschossenes deutschen Kanonenboot kurz vor Untergang gezeigt und eine siegreiche Dschunke hoch am Wind... Im Erst: Ich wollte kein altes Klischee bemühen und die siegreichen Europäer gegen die vermeintlich einfachen Chinesen zeigen. Leicht waren die chinesischen Seeräuber damals sicher nicht zu kriegen. Und so mancher hochmütiger Europäische Sailor wird sich gewundert haben.
Klaus
PS: Während ich schrieb hat Wefalck gekonnter geschrieben was ich sagen wollte...