Nachdem die Fragen bezüglich des Axiometers / Helm indicator (rot gerahmt) annähernd als gelöst betrachtet werden können, ergeben sich zu Deiner Fragestellung wegen der 4 anderen Beschläge (grün gerahmt) am Frontbalken der VICTORY - Poop folgende Lösungsansätze:
Spannrollen zum ausholen eines Enternetzes / Boarding netting/fr. Filets de abordage, repektive dem Netz des Achterdecks/ Over-head Netting/ fr. Casse tete, Sauve tete Netting/ fr. Sauve Tete` und sowie dem Sonnensegel des Achterdecks / Quarter-deck awning/ Tente de gaillard
f198t5050p95995n2_qpPMdWoT.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Quelle: Dafi, Aus dem Skizzenbuch von William, Turner ( 1775 - 1851)
Wie aus der Abbildung hervorgeht, zeigt diese " Momentaufnahme" der 4 Beschläge eine etwas längere Rolle die in einem Bügel befestigt ist. Ob hinter der Rolle samt Halter noch eine "eiserne Krampe" zum fixieren der "Strecktaue" vorhanden ist, lässt sich nach der flüchtigen Skizze nicht eindeutig beurteilen. Das nach der unteren Skizze gezeigte Tauwerk lässt jedoch vermuten dass man mit diese beiden kräftigen Tampen als "Beiholer" für ein aufgerolltes Netz nach Befestigung am Großmast benutzt hat. Zudem erhielten beide Schiffsseiten in den Großmast-Unterwanten zu dem maßgeschneiderte Netz noch "Brassen" um das Netz an seiner Vorderseite steif zu setzen. Gefertigt und angepasst wurden sämmtliche Netze (Garne von 1 1/2 - 1 Zoll Umfang) mit Bordmitteln durch die Mannschaft.
Oben sind zwei Netzarten die auch unterschiedlich benannt, zu verschiedenen Zwecken über das Achterdeck gezurrt wurden. Da man davon ausging dass ein Linienschiff nicht konventionell geentert werden konnte, kam bei der HMS VICTORY wohl kein der seit 1795 eingeführten "Enternetze" zum Einsatz, sondern nur ein Schutznetz gegen herunterstürzende Trümmer bei Beschuss der Bemastung und Takelage. Solch ein Schutznetz kam auch bei den Franzosen etwa ebenso im Bereich der "Kuhl" in Anwendung, was vor Gefechten jedoch das aussetzen und nachschleppen der "Decksboote" erforderlich machte. Was uns Lavery in seinem Buch ( Page 251) außerdem mitteilt, ist die Verausgabung von steglosen Ketten im Jahre 1804, um damit die 4 "Netzsimm`s" statt des Reeps nun durch Ketten mit höherer Tragkraft zu ersetzen.
Etwas erklärungsbedürftig; Alle Netze zur unterschiedlichsten Verwendung verfügten ähnlich wie "eingeliekte Segel" über einen Netzsaum, der hier jedoch aus einem kräftigen Reep dem sog. NETZ-SIMM bestand und um den die separate "Marleine" zum "anschlagen", resp. "anreihen" sämtlicher Netze fuhr.
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Quelle: Lavery,The Arming and fitting...., (Page 251) Abb. W. Turner 1799 an Bord der HMS- 74 guns VENERABLE (1784 - 1804), Flaggschiff des Admials Duncan vor Camperdown 11.11.1797
Quelle: Page 319, NEW UNIVERSAL DICTIONARY OF THE MARINE- Ed. Burney, London, 1815
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Quelle: Page 26, NEW UNIVERSAL DICTIONARY OF THE MARINE -Ed. Burney, London, 1815
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Ähnlich wie die Netze an Bord gehandhabt wurden verhielt es sich auch fast gleich mit den "Sonnen-segeln". Diese bestanden in der Regel auch aus einzelnen "Kleidern" von sog. dünneren jedoch etwas breiteren Segltuchrollen dem sog. "PRESENNINGTUCH" Auch verfügten sie über "Legel" zum anstecken der "Strecktaue" und wurden teilweise mittschiffs mit "Hahnepoten" und "Jolltau" an entsprechenden Stagen ähnlich einem Zeltdach vorgeheisst.
Danke Peter für die tolle Erklärung dieses weniger bekannten Themas! Das verschiebe ich noch zusätzlich in einen extra Faden, damit es leichter zu finden ist :-)
Aus dem MSW hat einer eine höhere Auflösung und glaubt klar Fairleads zu erkennen. Wenn dem so ist, wäre eine logische Schlussfolgerung, dass die Ziehrichting nach unten und seitlich ist, da aufwärts die Leine aus den Rollen springen kann.
Könnte es sein - da für diesen Bereich keine Riggingpunkte dokumentiert sind und auf dem Achterdeck mit Beting, Skylight und anderen Dingen nicht viel Platz vorhanden ist - dass dies Führungen sind um von der Besanbeting und anderen Belegpunkten die Taue für die Manöver auf das Achterdeck zu führen, wo mehr Platz zum Ziehen und Werkeln ist?
Quelle: Basil Lavis HMS VICTORY as in 1805, Richmond, UK ,1976 Belegplan des Hüttendecks mit Klampenmaßen, jedoch noch ohne "Seitenboote" oder "Barkunen"
Der Kollege im MSW kann damit durchaus recht haben! Technisch gesehen, ist dass schon ein Fairlead with roller sheave / Klampe mit Roll-Scheibe.
Wenn man die Position der 4 Klampen betrachtet, sieht man dass diese über die Fußleiste des Geländers, dem Bogen der Kampanje, Hüttendeck/ Poopdeck rail hervorragen. Neben den schon genannten Zwecken als Spannrollen, kommen als Umlenkung hinunter auf das Achterdeck,Schanze/ Quarterdeck ohne dabei am Geländer zu schamfielen, natürlich hauptsächlich die beiden "Läufer der Bootsheiss-Talje" oder die Großbrasse/ Main brace in Frage.
Die Läufer der Bootsheiss-Talje fuhren von den hölzernen Bootsdavids, den sog. Barkunen /Quarter davits durch auf dem Hüttendeck gehakte "Fußblöcke" umgelenkt, nach vorne. Zum "Heissen und Fieren" der beiden voll besetzten 30 Fuß (9,14m) Kutter konnten nun auf dem Achterdeck 2 Mannschaften der "Achtergäste" daran ziehen, also in die jeweiligen Talje-Läufer "einfallen". Auch ist diesbezüglich an die Stern Yawl /Heckjolle, einen 25 Fuß, (7,62m) Kutter zu denken, der 1805 definitiv achtern dort schon vorhanden war.
Für die beiden Klampen mittschiffs würden dagegen als schwerste "Läufer eines Takels", etwa das "Kreuzmast -Stengewindreep" zum fieren und heissen der "Kreuzmars-Stenge" und "Kreuz-Bramstenge" sehr in Frage kommen! Ebenso die durch Scheibgatten der Hüttendeck Knechte/Mizzen topsail sheet bitts fahrenden "Großmars-Schooten" und "Großmars Brassen"!
Auch meldet Röding 1794 und später noch Bobrik 1858; dass die Decksbalken des "Hüttendecks" zu wenig tragfähig seien um mehr als nötig Mannschaft dort hinauf zu schicken. Es sei daher üblich, es eher nur den "Marine-Soldaten" zu überlassen!
Danke Peter, klingt für mich sehr schlüssig und macht so für mich absolut Sinn :-)
Einzig ergänzend der Hinweis, dass laut Zeichnungen von Turner, Livesay und Dodd um 1805, als die Zeichnung mit dem Detail entstand - noch keine Bootsdavits am Achterdeck der Vic waren (Nachweisbar erst ab 1824). Aber mit den anderen Tauen gibt es genug Bedarf um solche Klampen an dieser Stelle zu rechtfertigen.
Hab endlich Mal eine akzeptable Auflösung gefunden, und die bisherigen Interpretationen um das Gezeichnete scheinen bestätigt.
Meine persönliche Interpretation sind jeweils eine Rolle an den Seiten und eine Schräge dazwischen für Seilführung nach schräg unten, was genau der zuletzt vermuteten Verwendung entsprechen würde.
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Hättest Du uns diese vergrößerte und besser definierbare Zeichnung blos mal früher gezeigt, ware des Rätsels Lösung schon längst gelaufen! Wie hast Du denn Deine Frage bei der MSW aufgeworfen und das Feedback reflektiert ?
Nun eindeutig erkennbar an den Klampen auch die zwei horizontalen Rollen, wobei diese dadurch seitliches umlenken besser ermöglichte. Auch damit die Führung in eine andere Zugrichtung eines Ende`s hinunter auf das Achterdeck, zur dort aufgestellten Crew und weg von den Geschützen.
Solche Klampen kamen aber erst in den 20/30 Jahren des 19.Jahrhunderts auf. Im technischen Konzept teilweise sogar noch sehr ähnlich, finden wir solche Klampen auch noch auf 90 Jahre alten Zeichnungen von HNA-Blättern des "Handelsschiff Normen Ausschuss".
mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Es hat einfach gedauert, bis die richtige Auflösung gefunden wurde. Und aufmerksam war ich ja auch geworden, da dieses Detail in zwei Werken von Turner aufgetaucht ist. Daraufhin nochmals quer gegoogelt und auch hier mehr Glück gehabt als bei den anderen Versuchen :-)
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Deutlich sind diesmal sogar die beiden Achsen der Rollen zu erkennen. Und dies dann auch schon belegt 1805 und nicht erst später.
Was mich gleich zur nächsten Frage bringt: Auf der Zeichnung ist die Reling halbhoch mit Eisenstützen und quergelegter Latte. Der obere Teil der Reling fehlt auf dem Gemälde, ist er vor dem Gefecht abmontiert worden oder hier einfach schon weggeschossen?
Und noch ein kleiner Hinweis aus dem NMM - denn auch von da kommen immer noch gute Hinweise - das Gemälde von Benjamin West aus dem Jahr 1806 zeigt ein ähnliches Geländer und auch die Swivels :-)
Die Klampen sind aber leider nicht auszumachen, evtl. ganz links, aber außerhalb der Erkennbarkeit.
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Wenn West nicht beim Konkurrenten abgekupfert hat, könnte dies schon so ausgesehen haben - nach Trafalgar natürlich. Demnach wäre diese Railing nur knapp über kniehoch gewesen und die Swifels auf Kniehöhe positioniert.
Wenn es Deine "Klampen" oder genauer " offene Scheibgatten" laut der Abb. vonTurner am 21.10.1805 an dem vorderen Geländer des Hüttendecks schon gab, dann aber fix Dein Modell noch nachgerüstet!
Dann fallen natürlich auch Deine Finknetze am Geländer und die dort hängenden Feuerlöscheimer ebenfalls weg, welche fast alle Modelle und das Original zeigen.
Interessant wäre zu erfahren ob die provisorische Reparatur in Gibraltar ab 28. Oktober 1805 und das Refit von März - Mai 1806 in Portsmouth, Dir mit zugänglichen Dokumenten noch Auskunft geben, welche Arbeiten neben der neuen Bekupferung in diesen Zeiträumen noch ausgeführt wurden?
Was Deine ursprüngliche Geländer-Skizze mit den Swivels/ Drehbassen von Turner und nun West zeigt , ist dies sicherlich das Resultat des Refits von 1805 oder 1806 gewesen.
Das kann man auch am Wegfall des Nachthauses mit den Kompassen sehen, die durch "moderne" Steuerkompasse ersetzt wurden, wovon jedoch nur einer zu sehen ist. Als kleine Beigabe sind von Turner ebenfalls, allerdings kaum erkennbar noch vier Speigaten zwischen Geländersockel und Decksbalken eingezeichnet worden, die sicherlich 1805 schon vorhanden waren !
Wenn es Deine "Klampen" oder genauer " offene Scheibgatten" laut der Abb. vonTurner am 21.10.1805 an dem vorderen Geländer des Hüttendecks schon gab, dann aber fix Dein Modell noch nachgerüstet!
Aber natürlich, auch wenn der NAchweis nicht für den 21.10.1805 sondern erst für Dezember 1805 erbringbar ist.
Dann fallen natürlich auch Deine Finknetze am Geländer und die dort hängenden Feuerlöscheimer ebenfalls weg, welche fast alle Modelle und das Original zeigen.
Vielleicht - s.u., aber da möchte ich noch ein wenig nach vergleichbaren Hinweisen dieser Zeit suchen. Es kann ja sein, dass Eimer und Finknetzhalter dem Gefecht zum Opfer fielen. Die Klampen in der Bodenleiste sind geschützter und könnten die Schlacht überlebt haben, bzw. sehe ich diese nicht bei provisorischen Reparaturen.
Interessant wäre zu erfahren ob die provisorische Reparatur in Gibraltar im Oktober 1805 und das Refit von März - Mai 1806 in Portsmouth, Dir mit zugänglichen Dokumenten noch Auskunft geben, welche Arbeiten neben der neuen Bekupferung in diesen Zeiträumen noch ausgeführt wurden?
Bin ich noch dran, bisher aber noch nichts in Sicht, aber hier vermute ich auch die Mysterien der Woolings des Kreuzmastes und der achteren Pforte anstelle der Tür zur Gallerie
Was Deine ursprüngliche Geländer-Skizze mit den Swivels/ Drehbassen von Turner und nun West zeigt , ist dies sicherlich das Resultat des Refits von 1805 oder 1806 gewesen.
Nicht unbedingt. Dazwischen liegen die Schlacht, mit Sicherheit Beschädigungen - siehe Bemerkung Turner - und provisorische Reparatur in Gibraltar
Das kann man auch am Wegfall des Nachthauses mit den Kompassen sehen, die durch "moderne" Steuerkompasse ersetzt wurden, wovon jedoch nur einer zu sehen ist. Als kleine Beigabe sind von Turner ebenfalls, allerdings kaum erkennbar noch vier Speigaten zwischen Geländersockel und Decksbalken eingezeichnet worden, die sicherlich 1805 schon vorhanden waren !
Auch hier ist zu bedenken, dass dies die Situation nach der Schlacht ist. Das Steuerrad wurde nachweislich zu Beginn der Schlacht weggeschossen, falls das "normale" breite Nachthaus dort Stand, dann war es auch hinüber. War es zum Schutz vor der Schlacht verräumt, kann dies auch ein Ersatznachthaus sein, welches nach dem Ausräumen des Schiffes für die Reparatur hingestellt wurde.
Da alle Geschütze weg sind, vermute ich, dass die Swifels keine Gefechtsutensilien waren, sondern zur Signalsierung dienten. Dass sie bei beiden Künstlern aufgetaucht sind, kann bedeuten, dass sie zum Zeitpunkt der Skizzen/Gemäldevorbereitung da waren, aber nicht unbedingt zur Schlacht. Es könnte sein, dass sie erst nach Entwaffnung draufkamen, da ja sonst nix mehr zum Böllern da war. Gibt es hierzu zeitgenössische Hinweise von anderen Schiffen?
Interessant deine Interpretation der Speigatts, ich nehme an, du meinst die kleinen schwarzen Teile neben den Klampen. Die hatte ich als Ringbolzen interpretiert, da Entwässerung eher zur Seite erfolgen sollte, bzw an dieser Stelle in den Durchgang zu den Kajüten eher ärgerlich wäre. Der Ausschnitt aus demTurner-Gemälde sieht mir auch danach aus. Hier könnte noch ein Ansatzpunkt links und rechts der Klampe - je nach Zugrichtung - für eine Talje zur Verstärkung angesetzt worden sein.
mit besten Grüßen, Peter - @peternavalis
Nachdem ich eine schöne Auflösung des Turner Bildes habe, mache ich demnächst noch eine bessere Werkschau dazu :-)
Habe Deine Ausführungen mit sehr großen Interesse gelesen!
A lot of "Hot Stuff" für weitere Diskussionen !
Wenn dann zudem eindeutigeres Bildmaterial derTate-Gallery und dies nicht nur ausschnittweise, sondern auch chronologisch mit den Datierungen des Malers W. Turner vorliegt, wird sicherlich damit eine bessere Definiton auch der anderen Details noch möglich !