Liebe Forumer, in meiner Jugend hatte ich das Segelschiffprogramm von Airfix, Heller und Revell durchgeackert, der Traum war immer die Soleil-Royal. Mit tränenden Augen stand ich dann immer am Schaufenster und hab sie bwundert. Dann kam die Pause wegen Freundin, Studium und dann Familie. Vor knapp 10 Jahren hab ich – zum Leidwesen meiner Frau "wohin soll das riesen Monster?"– dann für mich doch recht plötzlich die große Kiste besorgt und angefangen. Out of the Box, wie in der Jugend üblich. Auch alles schön brav und vor allem sauber angemalt. Spätestens beim Rigg war klar, dass da doch noch mehr geht als im Bausatz angegeben. Also angefangen Fachliteratur zu besorgen, als erstes "The Rigging of Ships in the Days of Spritsail Topmast, 100-1720 // R.C. Anderson". Parallel dazu kam die Internetrecherche vor allem im Forum von Gerard Delacroix, was eine wahre Fundgrube für die Marine Frankreichs und somit meiner Soleil war. Damit sind mir die Begriffe zum Teil in englisch und französisch geläufiger, so bitte Ausrutscher bei deutschen nautischen Begriffen nicht so tragisch nehmen. Im weiteren Bau ging es dann immer mehr darum, die Grenzen von Heller hinaus zu schieben – was wegen der Baufortschritte nicht immer oder nur schwer möglich war. Am schönsten war es allerdings anhand der Literatur überhaupt zu verstehen, wie die Takelage funktioniert hat. Das ganze Mastenensemble konnte tatsächlich ungeklebt zusammen gebaut werden (bei Airfix unmöglich ;-) einzig die Belegpunkte sind im Modell geklebt) und auch das laufende Gut wurde in seiner Funktion plötzlich verständlich und das Gewirr logisch nachvollziehbar. Auch kam durch diverse andere Foren neue Aspekte wie verwittern und neue Arbeitstechniken hinzu. Alles superspannend!
Und so liegt das Ergebnis nicht in erster Linie bei dem Modell welches daraus hervorging sondern an der Entwicklung meines Wissens und Könnens! So wird sich auch die Geschichte hier darauf beziehen und geradezu auf mein aktuelles Projekt zusteuern.
Mein Fazit nach ca. 10 jahren Beschäftigung (natürlich mit vielen Pausen): Wer sich mit den historischen Unsauberheiten abfinden kann, hat hier einen superschönen Bausatz, der einen lange beschäftigen kann ;-)
Deshalb bitte auch alle Hinweise nicht als Heller-Bashing verstehen, sondern als Ansätze für eigene Lösungen. Alle Hinweie sind mein momentaner Kenntnisstand, wo möglich hab ich die Quellen angeführt.
Und hier nun endlich die Bilder und Bemerkungen:
Baubeginn traditionell out of the Box.
Den größten Heller-Lapsus von allen – die 4 Spills im Unterdeck– wurden "natürlich" brav mit eingebaut. Im "Album de Colbert" über die Phönix (ca. 1677) sind im Schnitt zwei Spills zu erkennen, jeweils zwischen den Masten und mittschiffs (ähnlich der Victory). Beide gehen über die beiden unteren Decks, wobei das vordere Spill scheinbar nur im oberen Deck bedienbar ist, da der untere Teil so dünn ist, dass er eigentlich nur Achse sein kann. Auch die Aufdopplung der Bordwand hab ich damals verschlafen. Brooktaue sind auf englische und nicht auf französische Art durch die Mitte der Lafette getakelt.
Die Admiralität ist zu Besuch :-)
Die Heckpforten dürften eigentlich nicht bestückt sein, da im Bedarfsfall nur die anliegenden Geschütze umgestellt wurden. Das selbe gilt für die Jagdgeschütze im Bug. Die Kette sieht schick aus, sollte aber ein Seil sein. Was mich heute etwas wurmt ist, dass ich damals die farbige Variante noch nicht kannte, die hätt ich bestimmt gemacht.
Die Seitentaschen dürften keine Stückpforten eingearbeitet haben auf zeitgenösischen Zeichnungen ist der untere Teil der Taschen meist viel kleiner abgebildet. Das Modell im Museum in Paris – aus dem 19ten Jahrhundert, die Grundlage zum Hellermodell, superschön, aber mit den gleichen Fehlern – hat offene Seitengalerien, auch schick und eine modellbauerische Herausforderung. Ich hatte vor Jahren eine Anweisung von Ludwig den XIV im Internet entdeckt, die sagte, bei alle Linienschiffen sollten die offenen Galerien geschlossen werden. Somit währen evtl. beide Varianten abgedeckt. Aber das ist reine Mutmaßung meinerseits, Quelle weiß ich leider nicht mehr :-( Auch die Verglasung des oberen Fensters ist meines Erachtens unrealistisch, schwarze Augenbescheißerle (Trompe-l’œil) sind bestimmt richtig. (Was hab ich rumgefummelt um die Scheiben ohne Kleberreste reinzubekommen :-)
Erste Takelungen, die Nägel natürlich nicht korrekt belegt aus Faulheit (besser Dummheit?)
Wantenprobe :-)
Ab hier kamen die Nachrüstorgien: Ersetzen der Rüsteisen: 1mm Messingdraht unten plattgeklopft, gebohrt und an der Bordwand mit 0,5 mm Draht festgestiftet. Die abweichenden Richtungen der hinteren drei Eisen kommt daher, dass diese nicht zur Mars sondern weiter nach oben gehen.
Dann kam der Punkt an dem das saubere Plastik anfing mir auf den Keks zu gehen. Bei den Marinefliegern fand ich eine schöne Pastelltechnik die ich umgemodelt habe. Die helle Ockerfarbe bekam darauf komplett ein Shading mit brauner Pastell und sieht jetzt etwas weniger wie neuer Plastik aus :-) Es lebe Q-Tip und Pfeifenreiniger, so konnte sogar das schon vollgestellte Deck bearbeitet werden. Zu disem Zeitpunkt leider die dunklen Fugen der Decksplanken nicht mehr umsetzbar.
Nachdem die Detaillierung der Bark zu wünschen übrig ließ kam zuerst eine Persenning darüber. Es kam der Hinweis aus dem französischen Forum, dass es damals keine Persenning gab: Dass heißt Innenausbau, hier vorher und nachher.
Die Pinnen bewegen sich übrigens:-)
Segel aus Papier, Nähte beidseitig aufgedruckt – ein Heidenact mit einem alten A3-Farbkopierer, der nur Spezialpapier mochte – , würde ich heute auch anders machen, damals auf alle Fälle besser als die mitgelieferten Segel.
Aus der Ferne siehts besser aus ;-)
Die rote Flagge ist mittlerweile durch eine weiße ersetzt worden, die kleinen vooooorsichtig mit dem Föhn in Form gebracht.
Die Oberkante der weißen Schutzschicht ist nicht die Wasserlinie. Laut Gerard Delacroix aus dem französischen Forum lag die Wasserlinie ca 1,6 Meter unter den Öffnungen der unteren Batterie, hier wäre dies ungefähr in der Mitte der beiden unteren braunen Barkhölzer.
Anker Zweiteilung des Stocks und die Eisen, ok, an der Wicklung muss ich noch arbeiten :-)
Neubau der Bark auf dem Quarterdeck ...
... und in der Kuhl, es fehlen noch die Niederhalter zum Festzurren
... die dann mittlerweile dran sind :-)
Und da kommt dann das kleine Boot aus dem Achterdeck drauf. Beim Bearbeiten hab ich gemerkt, dass dieses Boot unmöglich zu Wasser zu lassen ist. Entweder sind Takelage des Kreuzmastes im Weg oder das Großsegel. Aber da ist solange noch nicht habe fertig, bis die Kanonen umgetopft worden sind.
Am Poop ist das Geländer angeschlagen, eine einfache Version, wie bei der Louis XV
Mittlerweile bereite ich die Überarbeitung der sichtbaren Kanonen in der Kuhl vor. Dazu habe ich nur die Schildzapfen verlagert und den Achsabstand verbreitert. Natürlich kommt das korrekte Brooktau :-) Und schon kommt ein bisschen Leben in die Puppenstubenaccesoirs.
Was ich heute am meisten vermisse: Dass ich damals noch nicht die farbige Variante der Deko kannte. Wann hat endlich einer den Mut diese zu machen?
Vielleicht raffe ich mich eines Tages noch dazu auf ... und öffne vielleicht sogar die Seitentaschen, just for the looks ... :-)
Aber das war sowieso nur der Aufwärmer ...
... demnächst mehr an anderer Stelle :-)
Dann wisst ihr, warum ich auch zu wenig Zeit habe die Hübsche hier aus ihrem Glaskasten zu holen.
Ein echter Hingucker. Ich hab das selbe Modell auch mal angefangen, war aber nicht halb so konsequent in der Umsetzung. Und bei der Takelung hab ich das Ding dann in die Ecke geschmissen. Bin dann auf Holz umgestiegen und werd dabei bleiben. Bei all der Arbeit hättest du die Segel allerdings aus Leinen nähen sollen, die Arbeit lohnt sich. Und ein Tipp fürs nächste Modell ,die Abstände der Wantjungfern sollten immer gleich sein, auch an den Marsen. So und jetzt schau ich mal ,ob ich die Bilder von meinem Holzerstling Santa Maria hier reinkriege- da kannst du dann kräftig zurückmäckeln.
schön deine Soleil jetzt auch hier zu sehen. Ist eine wahre Augenweide, echt super gebaut. Kann mich noch gut erinnern wie ich Live vor diesem tollen Modell hockte und es bestaunte. Da und aktuell an deiner Victory (wo ist eigentlich der Baubericht dazu? ) sieht man mal wieder was man schönes aus Plaste machen kann
Dein Modell ist hervorragend gebaut und die Bemalung ist perfekt. Leider hat die Firma Heller nicht richtig recherchiert und daher nicht nur die Proportion des Heckspiegels falsch dargestellt, - da aus statischen Gründen der Heckspiegel oben immer schlanker war als in der Ebene des Oberdecks, - sondern auch die Dekorationen. Ich sende dir Bilder der Original Zeichnung des Heckspiegels der Soleil Royal.
Grüsse Willi
schifferlbauer
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Mut ist - wenn man die Angst durch eigene Kraft überwindet.
... und deshalb habe ich meine Victory etwas anders angegangen. Warte, bis der Baubericht hier ist, wie Sascha angedroht hat, ich habe noch tausende Fragen zu diesem vermeintlich so durchgenudelten Schiff :-)
die Stückpforte im Tropfen gab es laut dem französischen Forum mit Sicherheit nicht.
Zu den Galerien hatte ich vor Jahren ein Dokument gefunden, welches eine Order des Königs war, offene Galerien zu schließen und außer Soleil Royal und der Royal Louis (?) alle Backdecküberbauungen zu entfernen. Zwar habe ich keine Quellenangabe mehr zum Nachprüfen, aber das würde bedeuten, dass du beides machen kannst, entweder vor oder nach der Order ;-)
Und wenn die Quellen so vage sind - nütze es doch aus und sei dir bewusst, was immer du machst wird immer einer "besser" wissen ...
Das Heller-Modell geht auf ein Modell aus 18XX zurück, das im Musee de la Marine Paris ausgestellt wird. Hier liegt auch die Ursache für die rudimentäre Galion. Das Modell spiegelt also wieder, wie man sich im 19. Jahrhundert die SR vorgestellt hatte. Trotz allem ist das Pariser Modell sehr schön anzusehen.
Interessanter ist das Modell "Louis Quinze", das wurde wohl um 1720 gebaut. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe hat es kein reales Vorbild sondern stellt eher den Typ des größten franz. Kriegsschiffes dar. Quasi die französische San Felipe
Die Soleil Royal aus Paris. Ich habe die Erklärung leider nicht fotografiert.
pollux
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pollux
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das ist ja in französisch geschrieben, da haperts bei mir so mit der Aussprache. Aber Spass beiseite, wenn Du so schnitzen kannst wie bei den beiden französischen Schiffen, dat wär was....