Mein Erster Eintrag! Der Baubericht von @schifferlbauer über den Admiral Tegetthoff war mit ein Grund warum ich überhaupt diesen Eintrag schreiben kann, denn auch ich habe jetzt den Tegetthoff nachgebaut. Dafür in 3D mithilfe von Computergrafik. Gleich zu Beginn ein Video vom Endergebnis:
In den weiteren Abschnitten werde ich noch das eine oder andere zum Prozess erzählen.
Ich glaube @schifferlbauer hat in seinem Baubericht schon genug über die Geschichte erzählt, als dass ich auf ein Neues über die Reise des Tegetthoffs berichten müsste. Daher eher mehr über meine Herangehensweise. Am Besten ich fange mit einem Glossar an, um Fachbegriffe, die folgen werden, zu erklären.
Asset pack Eine Sammlung aus Modellen, shadern, Spezialeffekten, die gekauft und implemen-tiert werden kann. Baking Ein technischer Prozess der Computergrafik, der vorwiegend auf Grafikkarten ab-läuft. Dabei werden Licht-, Farb- oder Oberflächeninformationen errechnet und auf Farbdateien gespeichert. Blockout Ein Prozess, bei dem primitive geometrische Formen verwendet werden, um Le-veldesigns, Spielumgebungen und Spielgrafiken zu entwerfen. Collider Eine Komponente, die die Form eines Spielobjekts für die Zwecke der physischen Kollisionen definiert. Collider sind unsichtbar und müssen nicht unbedingt dieselbe Form haben wie die sichtbare. Edge Ein Polygon besteht aus mindestens 3 edges, also den Kanten, die die Fläche ein-fassen. Edge loops Eine fortlaufende und geschlossene Reihe an verbundenen Kanten. Emissive Channel Der emissive channel eines Materials, das aus mehreren Texturen besteht, kann steuern, ob es leuchtet oder nicht. First person controller Wenn ein Spielcharakter aus der Sicht der Augen gesteuert wird, spricht man von einem first person controller. Image planes Autodesk Maya lässt UserInnen Bilder importieren und im 3D-Raum anordnen, die dann zum Beispiel als Referenz dienen. Level design Der Prozess der Ausgestaltung der spielbaren Umwelt. Lighting Ähnlich wie bei der Filmindustrie ist auch in der Spieleentwicklung ein passendes Licht-Setup vonnöten, um das Level auszuleuchten und in Szene zu setzen. NURBS Curves “Non-uniform rational basis spline” (NURBS) sind mathematisch definierte Kurven oder Flächen, die zur Modellierung beliebiger Formen verwendet werden. Ein NURBS kann jeden beliebigen, nicht-verzweigenden stetigen Linienzug darstellen. Planes Eine Fläche, bestehend aus mehreren Polygonen, die keine Tiefe hat. Polygon Eine Flächeneinheit, die die Oberfläche eines 3D-Modells ausmacht. Begrenzt wird sie durch edges an den Kanten und vertices an den Ecken. Quad Draw Tool Ein Werkzeug in Autodesk Maya, das auf bereits bestehenden Oberflächen vierseitige Polygone auftragen kann. Shader Ein Computerprogramm, das während des Renderns einer 3D-Szene die entsprechenden Helligkeits-, Dunkelheits- und Farbwerte berechnet. Smoothing Der Vorgang ein low-poly, also niedrig aufgelöstes Modell in ein high-poly, also hoch aufgelöstes Modell, zu verwandeln. Spiel-Engine Ein Programm, das die Entwicklung von Computerspielen ermöglicht und auch den Ablauf eines fertigen Spiels verwaltet. Texture maps Bilder, die durch Farbinformationen die Oberfläche von Modellen gestalten. Topologie Die Beschaffenheit der Oberflächengeometrie eines 3D-Modells. User interface Die Nutzerschnittstelle, also der Ort, bei dem User und Maschine in Kontakt treten. Lebenspunkteanzeigen, mini maps, also Landkarten zur Orientierung in Spielen, uvm. sind häufige Beispiele für UI in Spielen. UV-Mapping Die Projektion der Oberfläche eines 3D-Modells auf ein 2D-Bild. Die Buchstaben "U" und "V" bezeichnen die Achsen der 2D-Textur, da "X", "Y" und "Z" bereits verwendet werden, um die Achsen des 3D-Objekts im Modellraum zu bezeichnen
3D Modelling und Texturing
Idyllic Pixel - PureRef Vorbereitet wird die Produktionsphase durch ein kostenfreies Programm, das Referenzbilder, von denen viele zusammenkommen werden, organisieren kann. Hier sammle ich Pläne, Zeichnungen, Scans von Fotos, Detailaufnahmen, selbstgemachte Fotos, Listen und Screenshots, gruppiere sie sinnvoll und sind somit immer auf meinem zweiten Bildschirm einzusehen.
Autodesk Maya In Autodesk Maya, einem 3D-Modellierungsprogramm, das von verschiedenen Videospiel- und Animationsstudios verwendet wird, beginnt die Produktionsphase. Dank meines Studen-tenstatus an der Universität Krems kann ich die kostenlose Vollversion nutzen, sonst würde diese Software 1.875 $ pro Jahr kosten. Um mir das Leben leichter zu machen, importiere ich die Baupläne des Schiffs als image planes in unterschiedlichen Perspektiven. Screenshot 2023-10-04 154849.png - Bild entfernt (keine Rechte)
Dann beginne ich, die Schnittlinien des Planes zu lesen, zu deuten und durch NURBS curves nachzuziehen.
Ein Fehler in der Deutung der Pläne verursachte gleich viele Folgefehler, die ich erst später durch einen kompletten Neustart des blockout korrigieren konnte.
Es folgte ein grobes blockout der Formen und Decks, das untere Deck mit allen Räumlichkeiten modellierte ich sicherheitshalber nicht aus, um Zeit zu sparen. Wobei das definitiv eine unbezahlbare Verbesserung des Endprodukts bedeuten würde. Stattdessen formte ich niedrig aufgelöste planes an das Kurvengerüst an und versuchte, sie an die Form des Rumpfes anzunähern.
Für die Beiboote, von denen es drei unterschiedliche Typen gab, waren leider keine originalen Baupläne vorhanden. Deswegen durchforstete ich das Archiv des englischen Maritime Museum und fand zeitlich passende Pläne. Ich baute die Rümpfe wieder erst aus Kurven und anschließend durch planes nach.
Leider musste ich Unterschiede in der Form zwischen dem Original und meiner Rekonstruktion feststellen. Der Rumpf wies nicht die richtigen Proportionen auf. Deshalb modellierte ich den Rumpf neu und retopologisiere ihn. Das bedeutet, dass ich auf den bestehenden Rumpf möglichst gleichmäßig große quadratische Polygone anbringe. Diese wiesen nun sauberen Linienverlauf und richtige Form auf. Anschließend bekam die Hülle, die bisher nur aus einer dünnen Schicht bestand, Fülle und Form und die Gestalt vervollständigte sich.
Die Verbindungen der Masten und Rahen wurden mit groben Details versehen. Dabei orientierte ich mich immer an den Takelplänen und den damals vorherrschenden Bauarten.
Nun begann die wohl komplexeste Phase des Schiffbaus: Die Takelung. Also das Anbringen aller Seile, sowohl die, die zur Befestigung der Masten verwendet wurden (stehendes Gut) und die, die Rahen und Segel lenken (laufendes Gut).
Das Durcheinander ist entstanden, als ich die Kurven von Maya in Schläuche umwandeln ließ. Faktoren wie die Position der Kurven im Raum, von dem Bearbeitungsverlauf oder an-deren scheinbar nicht zusammenhängenden Faktoren beeinflussen das Ergebnis. Die schwarzen Polygone sind fälschlicherweise die Flächeninnenseiten, . Dafür war es umso zufriedenstellender, als das Schiff vollständig getakelt war.
Bis ich realisierte, dass ich noch einige Seile vergessen hatte: Wanten, an denen Matrosen die Masten erklommen, sowie die Seile, um Segel zu setzen, zu reffen und zu lenken.
Um die noch sehr steifen und unrealistischen Segel zu testen, exportierte ich sie nach Unity, einer Spieleengine, also einem Programm, in dem EntwicklerInnen Spiele zusammenbauen und programmieren können. Diese Engine gibt unter anderem auch die Möglichkeit, 3D-Mo-delle sich nach den Regeln der Physik verhalten zu lassen. So konnte ich die Segel in ein Stoffmaterial verwandeln, das durch Wind und Schwerkraft beeinflusst wurde. Später sollte das Schiff aber in einer anderen Engine präsentiert werden, der Unreal Engine von Epic.
sails.gif - Bild entfernt (keine Rechte)
Mit der Fertigstellung aller Assets konnte ich die ebenso zeitaufwendige Phase beginnen: das UV-Mapping. Das bedeutet, dass die Oberfläche aller Modelle im 2D-Raum aufgelegt werden muss (ähnlich wie wenn man einen Würfel aus Papier falten will), damit dann Texturen richtig dargestellt werden können.
Um den Modellen ihre Kanten und die unnatürliche Form zu nehmen, wurden in einem langwierigen Prozess Edge Loops eingezogen. Wenn die Objekte dann gesmoothed werden, also ihre Auflösung erhöht wird, geben diese Edge Loops die Form an.
Außerdem erhielt das Schiff seine namensgebende Galionsfigur und Verzierungen. Dafür verwendete ich allerdings ein anderes Programm. Wieder konnte ich mir durch meinen Studentenstatus einen Rabatt einholen, 70 € statt 400 € im Jahr.
Pixologic ZBrush
Die Schnitzereien und Galionsfigur wurden in Pixologic ZBrush modelliert, welches, anders als Autodesk Maya, eher der digitalen Form von klassischer Bildhauerei ähnelt und sich bes-ser für die Erstellung organischer Elemente eignet. Die dekorativen Schnitzereien produzierte ich zuerst durch den Import einer Maske, die ich von @schifferlbauer Zeichnungen ableitete. Pixologic ZBrush extrudierte mir diese Form. Darauf aufbauend adaptierte ich die Silhouette und gab ihr Tiefe und die richtige Oberfläche.
Dasselbe geschah mit dem Namensschild und Verzierungen am Heck. Pixologic Zbrush nutzte ich auch, um die markanten Felsen des Kap Tegethoffs nachzumodellieren, nachdem ich ihre grobe Form in Autodesk Maya auslegte.
joachimT
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Screenshot 2023-10-04 132
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Adobe Substance Painter Alle Modelle, die in den letzten Schritten entstanden, mussten nun für das Texturieren in Adobe Substance Painter vorbereitet und gebaked werden. Dabei werden bestimmte Texturen, die anhand der Oberfläche berechnet werden, auf das Modell “eingebrannt”. Kurven, Spalten und Unebenheiten können dadurch im weiteren Verlauf besser zur Geltung kommen. Leider entstehen in diesem Prozess auch einige Artefakte, deren Ursprung in Autodesk Maya korrigiert werden muss, bevor weiter an ihnen gearbeitet werden kann. Artefakte die während dem baking entstehen. Die schwarzen Streifen am Bug, sowie Farbkleckse am Ruder und Heck, sowie mittig am Rumpf sollten nicht existieren, sondern gleichmäßig der restlichen Farbe des Modells entsprechen
Aufbereitung Epic Unreal Engine Damit die Modelle in der Spieleengine so wie in Adobe Substance Painter aussehen, müs-sen alle exportieren texture maps, also die Bilddateien, auf denen die Farb-, Reflexion- und Höheninformationen gespeichert sind, zu Materialien kombiniert werden, die Unreal auslesen und darstellen kann. Dazu werden diese einzelnen texture maps in die richtigen Kanäle von Materialien “verkabelt” und den Modellen zugewiesen.
Das Schiff konnte so relativ schnell in der Spieleengine zusammengebaut werden und wartete nur noch darauf, wieder im Eis festzusitzen. Die Eisschollen und -berge, sowie Wasser, Licht und Himmel baute ich aus einem assetpack zusammen, das ich zuvor auf dem Unreal Marketplace erstanden habe. Und plötzlich ist das Schiff wieder zum Leben erweckt.
Damit nun auch eine Person einen Charakter in diesem Level steuern kann, müssen die so-genannten collider (die Körper der Elemente, damit Spieler nicht durch den Boden fallen oder durch Wände gehen können) des Schiffs generiert und angepasst werden. Dabei müssen die Kollisionsboxen nicht unbedingt den visuellen Gegenstücken entsprechen. Die vielen Seile würden die Spielenden nur einschränken, daher wurden für sie keine collider generiert. Da das Schiff nicht verlassen werden darf, muss die Reling unsichtbar höher gemacht werden.
Der first person controller, mit dem die Kameraperspektive durch den 3D-Raum gesteuert werden kann, war ein Teil der Unreal Engine, die ich an meine Anforderungen (Gehgeschwindigkeit, Hüpfen, …) anpassen konnte.
Um dem Klima und den Wetterphänomen in der Arktis gerecht zu werden, generierte ich in Unreal eigene Shader, also bewegliche Texturen. Beim Aurora Borealis Shader ließ ich einen verformten Farbgradienten über die Zeit entlang einer Sinusfunktion tanzen, zufällig auf-tauchen und verschwinden und die Textur über den emissive channel strahlen.
Nordlichter sind aber nur nachts sichtbar, deswegen musste ich mir auch Gedanken über einen potentiellen Tag-Nacht-Zyklus machen, damit sie auch zur Geltung kommen. Zusätzlich zu Nordlichtern kommen in kalten Regionen bei bestimmten Rahmenbedingungen auch so-genannte Nebensonnen und Lichtsäulen zum Vorschein. Diese kosmetischen Ergänzungen der Landschaft konnte ich bis zur Präsentation aus Zeitgründen leider nicht mehr implementieren.
Das Video ,sowie die Herstellung der Bilde sind dir sehr gut gelungen. Nur die Bildfolge ist meiner Meinung nach zu schnell. Das Gehirn hat zu wenig Zeit um die Eindrücke zu verarbeiten.
Ich hoffe wir sehen uns wieder beim Stammtisch. Liebe Grüsse Willi (schiferlbauer)
Mut ist - wenn man die Angst durch eigene Kraft überwindet.
Ja stimmt. Das hat ein Tempo! Man kann die Geschwindigkeit bei YouTube noch manuell auf 0.25x heruntersetzen, aber selbst dann ist es noch flott. Im Endeffekt sind es eh dieselben Bilder wie im Braubericht oben.
Über den Druck habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht @maxim ist aber sicher eine Überlegung wert! Ich werde es weiter verfolgen. LG