Ich habe jetzt einige Tage versucht ohne Modellbau auszukommen. Es klappt nicht.
Immer wieder gerate ich an Fahrzeuge aus der Zeit um 1750. Dafür gibt es Gründe. Ich kann in meinem Maßstab 1 : 35 keine großen Pötte bauen. So werden es Jachten oder Schoner. Schiffe aus der Barockzeit haben wegen ihrer Verzierung einen besonderen Charm, spätere Fahrzeuge sind dann mehr und mehr Zweckbauten. Die Zeit vor und während der amerik. Unabhängigkeit interessiert mich geschichtlich sehr und ich bin wieder bei den 6 Küstenschonern gelandet, die die britische Marine aufgekauft und bewaffnet hat. Einige davon wurden in England vermessen und sind die frühsten Zeugnisse vom Schiffbau an der nordamerik. Ostküste. Einer dieser Schoner war die "Chaleur". H. Chapelle berichtet, dass das unter französischer Flagge fahrende Handelsschiff vor 1764 von der britischen Fregatte "Favorite" aufgebracht und als Prise nach New York geschickt worden war. 1764 wurde sie von der Navy aufgekauft, bewaffnet und als Zollschiff im Bereich der St. Lawrence Mündung eingesetzt. Zu dieser dürftigen Quellenlage muss man Folgendes wissen: Von 1754 bis 1763 findet der 7 jährige Krieg statt. Die Briten nennen ihn auch French and Indian War. Die britschen Kolonien expandien , Kolonisten dringen ins Ohio Tal vor, in das Gebiet der Großen Seen und nach Neufrankreich (das Gebiet rund um den St. Lawrence Strom). Die Franzosen sind zahlenmäßig unterlegen und verlieren die Gebiete östlich des Mississippis. Es ist die Zeit von Coopers Lederstrumpf. Da gibt es die Bay of Chaleur südlich der St. Lawrence Mündung. Nach ihr ist der Schoner benannt. 1010 landen hier Isländer und bauen einen Außenposten (Hop). Durch den Golfstrom ist das Klima hier recht angenehm. Es entwickelt sich ein Tauschhandel mit den Eingeborenen , aber nach 3 Jahren sind die Beziehungen zerrüttet und die Wikinger ziehen sich zurück.1534 erkundet Cartier die Bucht und südlich davon entsteht Arkadien, das gelobte Land. Es ist davon auszugehen, dass die "Chaleur" hier in der Gegend der St. Lawrence Mündung gebaut wurde und zunächst französische Eigner hatte. 1768 wurde sie vor den Bahamas eingesetzt und im Juni des gleichen Jahres erreicht sie wieder Halifax, die Flottenbasis der Northern American Station. Man beabsichtigt das Schif zur Vermessung ins Mutterland zu schicken, aber die Seetauglichkeit ist schlecht. So erhält die "Chaleur" einen Kupferbeschlag und macht im September im britischen Hafen Plymouth fest. Im Woolwich Dockyard wird sie vermessen und untersucht. Wegen großflächiger Fäulnis verkauft die Marine das Schiff im Dezember 1768 für 100 Pfund. Damit verliert sich das Schiff, die Pläne sind aber im National Maritime Museum, Greenwich erhalten geblieben. IMG_1183.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)100_5075.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Zu Bild 1: H. Chapelle, The History of the American Sailing Ship, New York, 1935, S. 40 f. Zu Bild 2: Diese Besegelung soll der Schoner erhalten.
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Es gibt Fahrmodelle, die können es nicht. 1. Die Ranken, wir vom Fach nennen sie auch Robertas. Eine solche ist mein Topsegelschoner Berbice oder der Walfänger Agate. Da hat man arge Befürchtungen, wenn eine Bö über den Teich zieht. Hier kann ein langer Zk helfen. 2. Die Gemütlichen, auch Uweidas genannt. Bei ihnen ist zumeist die Segelfläche zu gering. Oft kann man wenig machen oder man verfälscht das historische Erscheinungsbild. 3. Die, die die Kurve nicht kriegen, auch als Horridi bekannt. Als Abhilfe kann man es mit einer Rudervergrößerung versuchen oder man muss aufmachen und die Ruderanlage umbauen.
Fahrmodellbau ist eben eine Herausforderung besonderer Art. Da ist meine kurfürstlich brandenburgische Brigantine "Castell Großfriedrichsburg". Sie habe ich nach einem Plan aus dem Buch "Schiffe unterm Roten Adler", Günther Schmidt, Rostock 1986 (Blaue Reihe) gebaut. Über die Rumpfform habe ich mich oft gewundert. Schmidt schreibt, dass dieser Schiffstyp aus Holland stammte und vermutlich waren die Baumeister auf der Werft in Havelberg aus Holland. Der Rumpf hat aber nicht das typische Flach und ist viel zu gestreckt. Diese Brigantine hat zu wenig Segelfläche und ich setze sie kaum mal ein. In der MW 3/2011 beschrieb ich sie:" Da die Segelfläche recht klein ist, segelt die Brigantine recht behäbig und mir wurde klar, warum sich die Entdeckungsfahrten so lange hingezogen haben."
Ich habe beschlossen, die Brigantine abzuwracken und sie zur"Chaleur" umzubauen. So kann sie wieder am Fahrvergnügen teilhaben. Der Unterwasserrumpf stimmt, die Deckslänge kommt fast hin. (Chaleur 21,5 m gegenüber 20,7 m bei der "Castell Großfriedrichsburg"). Die Breite ist ok. Ich erspare mir den Rumpfbau, die Epoxidämpfe und expandiere nicht, ein wichtiger Faktor. Ich habe die Brigantine 2 x gebaut. Das kleinere Standmodell habe ich vor Jahren schon verkauft. Brigantine 19.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Brigantine 25.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
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Nein, ich bin kein leichtfertiger Abbrecher. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben mit der Brigantine.
Im ersten Bild sieht man die ursprüngliche technische Ausstattung. Vorne ist ein Servo mit einem beitseitigen Hebel verbaut. Er wird die Rahsegel schwenken. Hinten ist ein weiterer Servo mit einem einseitigen Hebel. Er kümmert sich um die Schratsegel. Ganz hinten ist ein kleiner Servo mit einer Schubstange für das Ruder. Interessant ist der Antrieb. Es ist ein selbstentworfener Impeller. Ein Propeller dreht sich in dem geknickten Rohr. Er saugt Wasser vom Schiffsboden und drückt es aus den beiden kleinen Rohren rechts und links von Achtersteven. Neben dem Motor befindet sich ein Microschalter. Er wird vom roten Hebelarm berührt und startet den Motor. Mit dem "Flautenschieber" konnte ich das Schiff in den Wind drehen oder es zum Steg zurückführen. Der Antrieb war aber recht kraftlos und wurde ersetzt. Im zweiten Bild habe ich ihn ausgebaut, die Seite mit Polyesterharz und Gewebe verschlossen und einen neuen Antrieb hergestellt. Der Motor ist jetzt im ZK.
Die "Chaleur" soll einen Drehmast erhalten. Das Rahtopsegel oben am Großmast wird durch Taue mitgeschwenkt. Ein Flautenschieber ist nicht vorgesehen. Ein Drehmast hat einen größeren Schwenkbereich als die Ausführung mit dem beitseitigen Hebelarm.
Greuß Jörg
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Vielleicht für dein Umbauprojekt nicht ganz so interessant, aber es gibt von der Chaleur einen schönen Plansatz von Harold Hahn.
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Hallo Christian, ich habe das Buch vom Hahn. "The colonial schooner 1763 - 75". Da sind die Pläne der "Chaleur" auch enthalten. In dem Buch hat er 2 Baubeschreibungen eingestellt, von der "Hannah" und der "Halifax".
Der von Schmidt gezeichnete Riß der Brigantine entspricht so garnicht einem niederländischen Fahrzeug, das hat er nicht hingekriegt. Für meine Zwecke ist der Rumpf gut. Inzwischen habe ich die Länge durch das Schrägsetzen des Spiegels und durch Weiten krieg ich auch die Breite. Ich bin sehr nah dran. Auch die apfelförmige Rundung des Bugs oben habe ich nachbilden können.
Danke Jörg
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Hier sehen wir die unfertige "Chaleur" (1763) neben der "Berbice" (1789). Die Jahreszahlen sind nur Annäherungswerte. Nordamerikanische Schiffsbauer konnten keine Pläne lesen und bauten nach Halbmodellen. 1763 und 1789 wurden die jeweiligen Schiffe von der britischen Marine aufgekauft und vermessen. Diese Zeichnungen sind erhalten geblieben. Auf den ersten Blick könnte man die Topsegelschoner für Halbschwestern halten. Da ist das lange Hauptdeck ohne erhöhte Back, der Bratspill hinter dem Fockmast und das erhöhte Quarterdeck. Dieses wurde nach 1790 aufgegeben und man baute generell Glattdecker.
Die Unterschiede ergeben sich aber durch die jeweilige Zeitepoche. Die Chaleur wurde vor dem Unabhängigkeitskrieg gebaut. Da gab es an der Ostküste die drei großen Überseehäfen New York, Boston und Halifax. Von hier versorgten Zubringerfahrzeuge die vielen kleinen Ansiedlungen an der Küste. Diese Fracht- und Passagierschiffeschiffe durften nicht viel Tiefgang haben, um diese Buchten und Flussmündungen anlaufen zu können. Aus dem ursprünglich eingesetzten Kutter entwickelte sich der Schoner. Bei gleicher Größe benötigte er weniger Besatzung, da die Segel kleiner sein konnten. Sie wurden nacheinander bedient. Die Berbice entstand nach dem Krieg und vermutlich in Virginia. Die USA verfügte noch nicht über eine nennenswerte Navy. Amerikanische Handelsschiffe wurden immer wieder belästigt, Matrosen wurden zum Dienst auf frenden Schiffen gezwungen (pressing). So baute man schnelle Schiffe. Diese ließen sich auch als Kaperfahrzeuge oder für Schmuggelfahrten einsetzen, denn ein eigenes Zollwesen (Revenue Service) existierte praktisch nicht. Der Rumpf der Berbice ist schmal und hat einen Kielfall. Die Spanten haben einen S-Schlag und der Rumpfquerschnitt ist v-förmig. Das Schiff konnte nur wenig Ladung mitführen und sie musste hochpreisig sein (Sklaven, Alkohol, Drogen). Die Berbice hat einen frühen Klipperrumpf.
Meine Berbice ist ein schlechter Segler. Wenn es stürmisch ist, kann ich sie nicht einsetzen, denn sie ist sehr rank, so wie es die Originalschiffe auch waren. Die Kombination von wenig Verdrängung und viel Segelfläche ist gefährlich. Wahrscheinlich würde ein recht langer Zk helfen.
Gruß Jörg
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Zitat von hanseat im Beitrag #8Wie wär's mit Schienen am Grund? Der Ludwig ist mit seinem Schwanenkahn auch auf die Weise sicher über den See gekommen.
Sicher? Ist er nicht ertrunken? der Ludwig.....
Uwe vom Dunkelwald (lat.: Miriquidi)
Mitglied des Phantomprojektes Recherche: Fleute Zeehaen Kiellegung: Golden Hinde Fertiggestellt: Die Kolumbusflotte
Schon. Aber nicht in seinem Kahn, sondern mit seinem Doc im Wurmsee wie der Starnberger See damals noch hieß. Also Obacht @Gebbi wenn Du mal mit Deinem Betreuer am Weiher weilen solltest...
P. S. Frau schrieb grad: "Unglaublich: ungeimpft wieder weggeschickt. Wir wären höchstens Prio 3, bestenfalls, der Arbeitgeber hat die Bescheinigungen zu großzügig ausgestellt." Gute Nacht, Deutschland. 😠
Die Marsen und Stengen sind fertig, auch die Bäume. Der Heckspiegel ist auch vorzeigbar. War vorhin nochmal schnell im Baumarkt. Material für die nächste Zeit geholt. Die müssen wieder zumachen.
Gruß Jörg
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