wie versprochen, berichte ich hier über meine Dschunke.
Alles begann damit, dass ich beruflich einige Zeit nach China durfte und meine Frau sagte: „nimm dir was zu basteln mit“. Mit diesem Satz hat sie 2004 wieder meine alte Leidenschaft für den Schiffsmodellbau entfacht. Da wir also nach China gingen, lag es auf der Hand, dass eine Dschunke gebaut werden musste! Ich vermutete, nicht überall in China ein Modellbau-Fachgeschäft zu finden, daher kaufte ich mir noch in Deutschland einen Baukasten, um alles Material zu haben. Es wurde der Baukasten von Amati im Maßstab 1:100, Länge über alles 400 mm, eine chinesische Dschunke an -ein Piratenschiff. Im Baukasten ist zwar eine Bauanleitung enthalten, die man aber nicht wirklich benötigt, wenn man Pläne lesen kann. Der Plan ist übersichtlich, aber nicht sehr detailliert. Die Spanten sind sauber ausgelasert und auch die Teile für den Ständer. Weiterhin gibt es viele Leistungen und vorbemalte Bug-, Heck- und Aufbautenteile.
Parallel besorgte ich mir folgende Bücher über Dschunken:
- „Das Shaoshing CH’Uan" von Wolfgang Asbach, Das Logbuch 1991, Beschreibung und geschichtlicher Abriss der Entwicklung von Dschunken. - „Chinesische See-Dschunken“ von Peter Wieg, VEB Verlag Rostock 1984 - „Chinesische Fluss-Dschunken" von Peter Wieg/Johannes Freyer, VEB Verlag Rostock 1988
Alle drei Bücher enthalten Pläne zum Bau von Dschunken. Falls jemand Interesse an den Büchern hat, bitte über P/N bei mir melden.
Die Lektüre der Bücher ergab, dass die Chinesen gar keine Pläne von Dschunken hatten, sondern diese nach mündlicher Überlieferung und Erfahrung bauten - übrigens auch heute noch.
Eine Typeneinordnung dieser Dschunke ist schwierig. M.E. handelt es sich um eine Ningpo-Dschunke, also eine See-Dschunke. Ob Piraten diese nutzen, konnte ich nicht feststellen. Da sicher die meisten Dschunken als Handelsfahrzeuge genutzt wurden, wollte ich eben solch eine bauen. Die dem Bausatz beigefügten Kanonen wanderten somit gleich in die Bastelkiste. Auch die vom Hersteller vorgeschlagene Farbwahl hat nach meiner Recherche nichts mit der Realität zu tun. Alle von mir gesehenen Dschunken sind in dunklem Holz gehalten und recht grob zusammen gebaut. Wenn eine Planke beschädigt oder undicht ist, dann kommt einfach eine neue Planke darüber, fertig.
Der Bau lässt sich nach 10 Jahren nur aus der Erinnerung rekonstruieren, zumal es nur wenige Fotos gibt.
P1010005.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Der Spantbau des Rumpfes ist einfach ausgeführt und bereitete keine Probleme, so richtig zum entspannen. Das Deck wurde mit Leisten beplankt und mit einem Glas eines alten Dia-Rahmens abgezogen. Die Geländer in Maßstab 1:100 zu bauen war allerdings eine kleine Herausforderung.
RBCC 2006 Ausflug 138.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)RBCC 2006 Ausflug 139.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)RBCC 2006 Ausflug 140.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)RBCC 2006 Ausflug 141.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Aus lokalen Bambus-Essstäbchen wurden die Barghölzer hergestellt, um einen optischen Kontrast auf dem Rumpf zu haben. Bei echten Dschunken sind diese in vierkant ausgeführt, doch durch den Verschleiß werden dort die Ecken mit der Zeit „runder“. Leider sind einige Teile aus Kunstoff, so auch das Beiboot am Heck. Mangels Alternativmaterial wurde das Kunststoff-Boot schwarz eingefärbt - wie im Original wo die Beiboote vor Pech und Altöl nur so glänzen. Ich wollte immer mal das Beiboot gegen eine Holzausführung austauschen, doch die Dschunke wartet noch immer darauf. Die Segel mit den Bambuslatten habe ich von Hand genäht, jeden Abend wurde eine Latte eingenäht! Auch so kommt man zum Ende und dann liegen die Segel fertig auf der Werkbank. Das Rigg der Dschunke ist genial einfach und somit keine Herausforderung wie bei einer konventionellen Bark.
Zum Schluss spendierte ich dem Modell eine Vitrine mit einer schönen Holzplatte und so steht diese nun auf unserem chinesischen Schrank im Wohnzimmer und erinnert uns an eine aufregende Zeit. Die Bauzeit betrug mit Unterbrechungen für den RC-Segelschiffbau fast 4 Jahre und war ein schöner Ausgleich zu viel Stress auf der Arbeit.
Ich hoffe, mein kurzer Bericht hat Euch gefallen und über ein Feedback freue ich mich schon jetzt. Wenn jemand von Euch spezielle Fragen hat werde ich versuchen, diese zu beantworten.
Gruß Kay
Wir sollten wieder lernen, aus der Freizeit Muße zu machen. (Otto Flake, Schriftsteller)
Spannend daran finde ich, daß dieses Rigg für mich als deutschen Schiffchenbauer doch sehr fremdartig aussieht, das Unterwasserschiff wiederum allem Anschein nach weltweit sehr ähnlich ist. Eigentlich schon klar: gleiche konstruktive Anforderungen führen auf Dauer zu sehr ähnlichen Lösungen. Wenn dann der kahn das macht, was er soll, sicher und zuverlässig Cargo zu fahren, hat man als Eigner viel Gelegenheit seinen persönlichen Geschmack im Überwasserteil auszuleben.
Nochmal: schönes Schiff und schön hier so einen "Exoten" mal zu sehen.
LG Hartmut
To the optimist the glas is half full. To the pessimist the Glas is half empty. To the ingenieur it is twice. As big as it needs to be.
Auf der Helling „Witsen“, holländisches Pinassschiff,1671. Nach Plänen von Ab Hoving
Zur Rumpfform noch eine Anmerkung. Im Bugbereich breit und flach dann nach hinten spitz zu laufend. Das Ruder konnte in der Höhe verstellt werden, dies soll der Kursstabilität gedient haben. Das Segelreffen war dann dank der Bambuslatten einfacher und ergab mehr Möglichkeiten als unsere westliche Ausführung mit Reffbenseln. Die britische Navy hat eine Dachunke im Pazifik getestet und war über die guten Segeleigenschaften erstaunt. Merkwürdiger Weise wurde nichts davon in die westliche Sgelfachwelt übernommen.
Gruss Kay
Gruß Kay
Wir sollten wieder lernen, aus der Freizeit Muße zu machen. (Otto Flake, Schriftsteller)
Vielen Dank für die Bilder! Bambus ist einfach ein irre vielseitiger Stoff, der ganz andere Möglichkeiten eröffnet und in nicht-asiatischen Gegenden fehlt. Das hatte schon sehr früh Auswirkungen: das Vorhandensein vom Bambus ist vermutlich der Grund, warum man in Ostasien keine Faustkeile findet.