Ich will eine Navicello bauen. Die Pläne sind wieder aus dem Buch "Vele italiane della costa occidentale" von Sergio Bellabarba/Eduardo Guerreri, Milano 2002. Ich habe eine holprige Übersetzung des Begleittextes und weiteres Material aus dem Internet. Das Wort navi - cello bedeutet kleines Schiff. Die Entwicklung dieses Schiffstyps ist eng mit dem Transport von Marmorblöcken verbunden. Seit der Römerzeit werden die Steine von Carrara auf dem Fluss Magara zum Hafen Luni am tyrrenischen Meer gebracht. Im Binnenland war der Fluss Arno ein wichtiger Transportweg in die Toskana bis hin nach Florenz. Nahe der Mündung des Arnos gibt es den Kanal nach Livorno, einem bedeutenden Freihafen. Diese Flussschiffe waren mit 6-8 Mann besetzt, die die Schiffe treidelten oder mit Stangen schoben. In Bild 1 sieht man eine Ansammlung dieser Barken. Im Hintergrund sind auch die Laufräder eines Kranes zu erkennen. Das Foto muss um 1900 entstanden sein, da Dampfschiffe mit abgebildet sind. IMG_2580.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)IMG_2583.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Quelle: annexgalleries. com Aus den Fluss- oder Kanalbooten entwickelte sich in der Renaissancezeit, als ein hoher Bedarf an Marmor entstand, die seefähige Navicello, ein spezieller Steinfrachter. Die Schiffe hatten eine Tragfähigkeit von 30 bis 70 Tonnen. Der flache Boden weist auf die Entstehung aus einem Flussschiff hin. So konnten die Blöcke gut gelagert werden. Das Schiff war ein Spitzgatter mit leicht schrägen Steven. Es hatte viel Freibord, aber es ist anzunehmen, dass es tief eintauchen konnte. Hinter dem Großmast befand sich eine übergroße Ladeluke. Sonst verfügte es über die üblichen Einrichtungen; einen Patentspill, einen Niedergang zum Vorunter, einer kleinen Ladeluke vor dem Großmast und einem kastenförmigen, recht hohen Niedergang zur Heckkabine. Dieser Aufbau diente wohl auch als Schutz für den Rudergänger. Er steuerte das Schiff mit der Pinne. Bellabarba hat die Linien einer Navicello aus dem Jahre 1910 übernommen. Sie wurde in Viareggio gezimmert. Die Lenzpumpen sind wie bei ihm üblich nicht abgebildet. Ich werde sie parallel zum Großmast anordnen.
ZitatDie Pläne sind wieder aus dem Buch "Vele italiane della costa occidentale" von Sergio Bellabarba/Eduardo Guerreri, Milano 2002.
Ahoi Gebbi,
wenn ich so durch meine Ausgabe blättere und mit deinen Bauberichten vergleiche, bist du ja bald durch mit dem Nachbauen der dort gezeigten Schiffstypen.
Ahoi Bonden, ich habe ja noch gar keinen Spant gesägt. Erst versuche ich das Modell zu "verstehen". Schade halt, dass die beiden Jungs es nicht geschafft haben ein gleichartiges Buch für die Adria zu entwickeln. Alter und mangelnde Gesundheit haben es verhindert.
Gruß
Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Schauen wir uns nochmals das letzte Bild im Beitrag # 1 an. Ein gewaltiger Marmorblock wird mittels eines Dampfkrans in eine Navicello geladen. Dafür hat man die Stenge und das Großsegel nach vorn geschiftet. Die Bemastung und die Segelausführung sind charakteristisch für diesen Schiffstyp. Um die Ladearbeiten zu erleichtern, ist der Großmast weit vor der Schiffsmitte aufgestellt. Der Fockmast steht ganz vorn und ist zum Bug geneigt. Er ist mit einem Klüver versehen und dazu mit einem recht seltsamen Segel.
IMG_2584.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)IMG_2581.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Quellen: 1. Velle occidentale, S. Bellabarba, Milano 2002, S. 158 2. annexgalleries.com
Dieses Segel wird ohne Baum oder Stenge verwendet und führt zum Großmast. Bellabarba hat ein gleichartiges Segel bei ottomanischen Schiffen im 19. Jh. gefunden (Souvenirs de marine, Tafel 77). Auch wurde es bekanntlich bei großen Rahseglern des 19. Jhs. verwendet. Über diesem Segel ist ein dreieckiges Topsegel angeschlagen. Die Navicello hat mit dieser Ausführung eine recht große Segelfläche und war wohl auch bei Leichtwind schnell unterwegs. Es war für mich dieses seltsame Segel, dass der "Zündfunke" für den Bau wurde. Hinzufügen will ich, dass es größere Navicellos gab, die noch einen Treibermast mit Lateinersegel führten. Dieser Schiffstyp hat sich bewährt. Während um die Jahrhundertwende die Zahl der hölzernen Schiffe zurückging, stieg die Anzahl der Navicellos an. 1905 waren es 98 Fahrzeuge gegenüber 70 im Jahre 1897. Bis 1940 wurden diese Schiffe gebaut. Das letzte Bild zeigt eine Navicello im Hafen von Menton in der Provence. Oft nahmen die Kapitäne noch eine Beiladung aus Bündelholz, Holzkohle oder Lebensmitteln an Bord. IMG_2579.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Quelle: annexgalleries.com
Gruß Jörg
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Das seltsame Segel Ich hatte es die ganze Zeit vor mir und habe es nicht gesehen! Dies ist die Tafel 77 aus den "Souvenirs de marine" mit meinem türkischen Küstensegler. Inzwischen ist das Blatt stark bearbeitet mit den Eintragungen zu meinem Modell in 1 : 35.
Bellabarba führt aus (Beitrag # 2), dass dieses seltsame Segel auch bei osmanischen Schiffen eingesetzt wurde. Und hier ist es zu sehen. Obere Reihe, 2tes Fahrzeug von rechts. Das Segel ist am recht weit vorn stehenden Fockmast befestigt und am Großmast angehängt. Auch das dritte Fahrzeug in der unteren Reihe könnte diese Ausführung haben. Hier Thorsten, siehst Du auch, dass der türkische Küstensegler tatsächlich diese hohe Stenge mit den Rahsegeln hatte. @Carpfanger
In der Kleinschifffahrt gibt es Fahrzeuge, die als Spitzgatter gebaut werden oder andere, die mit einem Plattgat- oder Spiegelheck versehen sind. Mich haben die Vor- und Nachteile dieser beiden Ausführungen interessiert und recht stimmige Erklärungen habe ich in dem Buch "Kriegsfischkutter" Herwig Danner, Hamburg 2001 gefunden. Um 1930 wurden von der Reichsanstalt für Fischerei Versuche unternommen die deutsche Kutterflotte zu standardisieren. Als Ergebnis wurde der Typ G, ein 24 Meter Kutter, vorgestellt. Die Kriegsmarine, die nach der Besetzung Norwegens und Frankreich eine sehr lange Küstenlinie zu sichern hatte, übernahm diesen Entwurf für ein Hilfsminensuch- und Sicherungsfahrzeug. Dieser KFK wurde bei Burmeister in Swinemünde im Serienbau hergestellt und auch auf vielen kleineren Werften im In- und Ausland (Griechenland 34, Bulgarien 17, Ukraine 5, Belgien 23, Holland 38, Schweden 44). Insgesamt fertiggestellt wurden 612 KFKs. Die Mehrzahl der gebauten Fahrzeuge hatten das Plattgatheck, es gab aber auch Exemplare mit Spitzgatheck. Danner schreibt, dass das Aufbringen der Außenhautplanken im Heckbereich bei Spitzgattern mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden sei (S. 35). Auch war eine Anlage zum Dämpfen und Biegen der Planken notwendig, die bei Spiegelbooten wegfiel (S. 21). Festzuhalten ist, dass die Bauzeit länger und der Bauaufwand bei einem Spitzgatter höher sind. Der Vorteil bei einem Spitzgatter ist, dass er bei rauer See viel weicher eintaucht und so das Fahrverhalten besser ist. Das zweite Bild zeigt eine bretonische Thonier Dundee, einen Thunfischfänger. Die Achillesferse dieses Schiffes war das sehr flache Heck. Die Befestigung des Besanmastes und die Durchführung des Ruders schwächten die Konstruktion in diesem Bereich zusätzlich und zahlreiche Fahrzeuge brachen hier im Sturm auseinander (19./20. Sept. 1930). Der Nachteil ist, dass die Arbeitsplattform im Heckbereich fehlt. So musste man zahlreiche KFKs mit Spitzgat mit einem Heckwulst versehen, um die Minensuchgeräte ausbringen zu können.
Bei einem Frachtschiff wie der Navicello, dem türkischen Küstensegler, der griechischen Perama, der Trabakul und der Leut aus der Adria spielte eine Arbeitsplattform im Heckbereich aber keine Rolle. Auch war eine geräumige Heckkabine bei den relativ kurzen Fahrten nicht erforderlich. 100_4577.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)DSCI0340.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)100_4233.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)100_4560.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Gruß Jörg
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