Leider ist die Fotografie zu spät erfunden worden, und wir besitzen keine Aufnahmen von prunkvollen barocken Dreideckern oder eleganten Fregatten aus napoleonischer Zeit. Als die Kameras einigermaßen außentauglich waren, gab es fast nur noch die zu Schul- oder Wohnschiffen degradierten letzten großen hölzernen Kriegsschiffe, teils schon mit Dampfmaschinen ausgerüstet, und kurz nach ihrer Indienststellung durch die eisernen Panzerschiffe zu lebenden Fossilen gemacht. Immerhin zeigen die Aufnahmen noch etwas von der Aura dieser letzten Vertreter ihrer Gattung.
"Ich gibs so gut / als ichs errang / Drumb ist mir vor keim Momo bang. Wer bessers waist / und kans erweisen / Der gebs herfür: Ich will ihn preisen." (Joseph Furttenbach 1591-1667)
Zeige ich gerne. Das Modell der Napoleon (Imai 1:144) hatte ich vor vielen Jahren gekauft, als ich mich noch mehr für die frühen Panzerschiffe des 19. Jahrhunderts interessierte. Ich wollte es dann rasch oob bauen, aber das geriet aus verschiedenen Gründen in eine Sackgasse und das Modell in den Schrank. Ich hatte so viele Manipulationen an der Bordwand vorgenommen, dass schließlich nur noch ein Umbau zu einem Schulschiff oder einer Hulk infrage kamen. Das habe ich dann auch gemacht, insbesondere durch den Aufbau eines Hörsaals auf dem oberen Deck. Von der Takelage ist nur der Stummel des Besanmastes geblieben. Vorbild für den Umbau waren Fotos französischer und englischer Schulschiffe bzw. Wohnhulken aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Besonders orientiert habe ich mich an der Bretagne, die etliche Jahre lang in Brest lag. Nun schien es mir ästhetisch ausgeschlossen, ein derart umgebautes und ramponiertes Schiff auf einen vornehmen Ständer zu stellen. So kam ich zu meinem ersten Wasserlinienmodell, eine Modellform, der ich bislang immer sehr reserviert gegenübergestanden hatte. Das Wasserbett, in dem die Napoleon jetzt auf meinem Regal steht, war dann auch wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss. Mittlerweile habe ich aber etwas Erfahrung in der Gestaltung von Wasserflächen und insbesondere beim Fotografieren der Modelle gewonnen. Unten ein paar Fotos von der Napoleon in ihrem Silikon-Teich, den ich bei Gelegenheit einmal durch eine bessere Variante ersetzen sollte.
das ist eine tolle Präsentation Jetzt fehlen noch ein paar belebende Figuren und vor allem dezente Gebrauchsspuren am Schiff. Woher stammt das schöne Schild mit Namen und Relief am Sockelrahmen?
Danke! Glaub mir, Gebrauchsspuren sind da, aber wirklich sehr dezent. Da müsste ich mit der Kamera schon näher rangehen. Tatsächlich fehlen noch Figuren und ein paar Boote, die die Verbindung zum Hafen gewährleisten. Zu sehen ist bereits ein kleiner Dampfschlepper in 1:160 von Artitec, den man mit etwas gutem Willen in die Epoche quetschen kann. Ich arbeite aber auch an einem für das 19. Jahrhundert eher typischen Schaufelradschlepper, den ich aus dem Heller Occident (1:400) umzubauen versuche. Schön wäre es natürlich, das Modell "von See her" gegen eine Küste zu fotografieren - oder eine Küstenkulisse hinter der Wasserplatte aufzubauen. Leider haben die Basteltage auch nur 25 Stunden. Schmidt
Geschätzter Burkhard "Schmidt", bitte, wie kommt man zu so einer Wasseroberfläche? Ich doktere schon jahrelang herum damit, aber so etwas Schönes habe ich noch nicht zusammengebracht! walter
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Die handwerkliche Herstellung der Wasseroberfläche ist denkbar einfach. Ich nehme eine Styrodurplatte, nicht wegen der Oberfläche, die ist einfach nur glatt, sondern wegen des geringen Gewichts. Darauf lege ich gewöhnliches Toilettenpapier aus, glatt und möglichst nahtlos. Das Papier wird mit einem breiten Pinsel mit einem Leim-Wasser-Gemisch eingestrichen. Toilettenpapier löst sich beim Kontakt mit Wasser schnell auf und mutiert zu einer breiigen Masse. Man muss also vorsichtig sein, dass es seine Konsistenz noch einigermaßen behält, und es mit gleichmäßigen Bewegungen in eine Wellenform bringen. Das braucht ein bisschen Erfahrung, aber das Übungsmaterial ist ja denkbar preiswert. Die endgültige Struktur sollte keine Lücken aufweisen. Nach dem Trocknen streiche ich die Oberfläche mit anthrazitfarbener Abtönfarbe, die ich mit Wasser verdünne. Man könnte auch einen Blau- oder Grünton nehmen. Die Farbe deckt sehr gut, zumal der Untergrund eine gewisse Saugfähigkeit hat. Danach trage ich die Wasserfarbe auf. Sie besteht aus stark verdünnter Ölfarbe, die sich aus drei Farbtönen zusammensetzt: preußisch Blau, Umbra, Saftgrün. Je nach Anteil der Farben wird das „Meer“ blauer, grüner oder schlammiger. Auf dem so vorbereiteten Untergrund deckt die Ölfarbe auch in hoch verdünnter Konzentration sehr gut. Wenn mir die Farbe nicht gefällt, kann ich endlos andere Mischungen drüber legen. Es kann vorkommen, dass sich die Farben nicht zu 100 % vermischt haben oder sich in der Lösung wieder ein wenig separieren, das führt zu besonders schönen unregelmäßigen Farbstrukturen auf der Platte. Den Abschluss machen mehrere Lagen hochglänzenden Klarlacks. Ich verwende die Hausmarke vom Bauhaus (Swing Color) auf Lösemittelbasis, die Farbe ist sehr dickflüssig und läuft kaum. Auf dem Foto oben hat die Wasserplatte erst einen Klarlacküberzug, dadurch sind die Wellen noch etwas eckig und die Reflexionen undeutlicher. Aber alles, was sich bis jetzt beschrieben habe, trägt nur zu einem kleineren Teil zu dem Eindruck bei, der oben auf dem Foto zu sehen ist. Meine Erkenntnis des letzten Jahres war, dass das Allerwichtigste das Licht ist. Und dass es zum natürlichen Licht kaum eine Alternative gibt, es sei denn, man baut sich ein ganzes professionelles Fotostudio auf. Ich montiere die Wasserplatte auf ein Stativ, richte die Modelle aus (die natürlich alle Wasserlinienmodelle sein müssen, weil ansonsten der Horizont schief wird) und richte die Platte gegen den Himmel, wo ich mir eine Wolkenformation aussuche, die die erwünschte Tiefenwirkung befördert. An stark bewölkt Tagen können immerhin Effekte wie der oben eingefangen werden, wenn die Sonne ein wenig durch die Wolken hindurch scheint. Der wesentliche Clou an dieser Technik besteht darin, dass das natürliche Licht auf der spiegelnden Oberfläche der Wasserplatte seinen Eindruck hinterlässt, sprich: die Wasserplatte immer automatisch passend zum Himmel einfärbt. Dazu kommt, dass alle Schatten richtig liegen, weil ausschließlich durch die Sonne bewirkt. D.h. natürlich: Diese Technik der „Wasserherstellung“ ist ganz auf die Freiluftfotografie ausgerichtet. Bislang habe ich nur mit glatten, bzw. leicht gekräuselten Wasseroberflächen experimentiert. Ob mir solche Fotos auch mit größeren Wellenformationen gelingen werden, weiß ich nicht. Für ein Modell der Phenix (Heller), hier im Forum dokumentiert, habe ich solche Wellenberge bereits gebaut, bin mit denen aber noch nicht „an die Luft gegangen“. Für weitere Fragen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Danke für das Lob! Schmidt
Vielen Dank für diese ausführliche Darstellung! Im Prinzip gehe ich nach der gleichen Methode vor, habe aber dabei all zu oft dem Drang nach einem "Wellengang" nachgegeben, Dramatik pur im Kopf.... Absolut richtig finde ich auch das Bekenntnis zum Freilicht, an Kunstlicht bin ich bisher immer gescheitert. Was mich verwundert, ist der Einsatz von wasserlöslichen "und" ölhaltigen Farben, denn auf diesem Weg habe ich schon richtige Craquelé- Meere bekommen. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Schichten nicht gut durchgetrocknet waren. Jedenfalls überzeugt das Ergebnis bei solchen Bildern! walter
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Bei den Farben gilt die alte Malerregel "fett auf mager", d.h. man kann mit Ölfarben auf Tempera (haben die alten Meister gemacht), Latex- oder Acrylfarben malen, aber nicht umgekehrt. Gutes Durchtrocknen ist in jedem Fall wichtig, da sich sonst unter der Ölfarbenschicht Wasserdampf bildet bzw. Latex- und Acrylfarben abquellen, wodurch die Ölfarbenschicht Wellen schlägt.
Wefalck hat das Allerwichtigste zu den Farben gesagt, dem muss ich nichts mehr hinzufügen. Eine Anmerkung vielleicht noch: Die Spiegelung der Modelle im Wasser ist für mich die stärkste Versuchung des Auges, das Gesehene als real wahrzunehmen. Modellwellen verlieren für mich bei der Betrachtung sehr schnell die Faszination. Es sind dann doch lackierte Schaumstoffberge. Die Spiegelung auf glattem Wasser wirkt dagegen viel verführerischer. Auf meiner großen Wasserplatte trocknet momentan die zweite Schicht Klarlack. Und am Wochenende soll es etwas mehr Sonne geben. Dann gibt es hier vielleicht auch neue Bilder. Schmidt