Die ligurische Pareggia war ein Küstenfrachtschiff und ist wenig bekannt. Allgemein ist die Quellenlage zur Schifffahrtsgeschichte Italiens bescheiden. Durch die Kleinstaaterei Italiens bis 1860 gab es keine nennenswerte Marine. Der Seehandel spielte z.B. in den Niederlande eine zentrale Rolle. Zahlreiche bildliche Darstellungen und Bestecke sind über die Jahrhunderte entstanden. In Italien ist nur wenig überliefert. Eine Erfassung der Handelsschiffe im Golf von Spezia und den Cinque Terre um 1815 führt keine Pareggia auf. Zahlreiche dieser Schiffe werden in der Mitte und in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. gebaut. Mit der Motorisierung der frachttragenden Schiffe verschwindet dieser Schiffstyp wieder. Die Pareggia war also ein Schiff der Gründerzeit, für die kapitalschwachen Eigner und Reeder waren diese kleinen Küstensegler ein Einstieg in den Seehandel. Pareggias waren selten über 20 m lang, ihre Tragfähigkeit betrug bis zu 40 Tonnen. In der Sammlung "Souvenirs de Marine" sind Darstellungen enthalten. Beigesteuert hat sie wieder der französische Marineoffizier Hennique, der um 1885 im westlichen Mittelmeer eingesetzt war. Die Bilder und Risse habe ich wieder aus dem Buch "Vele italiane" von Bellabarba/ Guerreri, Mailand 2011 entnommen. Eine Pareggia ist ein Zweimaster und führt Lateinersegel. Der Großmast steht in der Mitte und ist stark nach vorne geneigt. So ist der Befestigungspunkt der Rute weiter vorne und das Segel "zieht". Zur Unterstützung verfügt eine Pareggia noch über ein fliegendes Vorsegel, das an der Mastspitze angeschlagen ist. Sehr interessant ist das Rigg des achterlichen Mastes. Dieser steht weit hinten. Ein Papageienstab ist notwendig um das Achterschot zu bedienen. Die Rute steht aufrecht. Diese Position wird gewöhnlich eingenommen, wenn das Lateinersegel bei Kurswechsel auf die andere Seite gefiert wird. Hier ist die Rute jedoch am unteren Ende mit einer Fußtalje festgesetzt. Das mit einem Fall gesicherte Lateinersegel wird also als Hoch- oder Bermudasegel gefahren. Die Pareggia ist mit dem Bovo verwandt. Dieser Segler ist älter und hat ein ähnliches Rigg mit 2 Lateinersegeln. Beim Bovo steht aber der Großmast gerade und der Besanmast ist mit einem normalen Lateinersegel versehen. Papageienstöcke führen beide Fahrzeuge. Bild 2 zeigt einen solchen Bovo, der aus welchen Gründen auch immer in einer Glühlampe geparkt wurde. (wird fortgesetzt)
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Ähnlichkeiten hat die Pareggia auch mit dem Universalschiff des Mittelmeeres, der Laut. So hat die hier gezeigte Laut ebenfalls den nach vorne geneigten Mast. Der obere Abschluss des Vorderstevens ist gleich ausgebildet. Eine Pareggia hat einen fast geraden Vordersteven und einen runden Heckabschluss. Die Deckansicht zeigt einen Pumpspill, sodass man den Küstensegler zeitlich am Ende des 19. Jhs einordnen kann. Interessant ist die Ausführung der Ruderpinne. Um nicht mit dem Besanmast zu kollidieren, wurde die Pinne stark gebogen. Vor dem achterlichen Niedergang stand ein abdeckbarer Grill. Hier wurde für die 5 - 6 Mann Besatzung gekocht. In diesen Breiten war die Kochstelle gewöhnlich im Freien.
Den Mallenriss werde ich für den Bau des Fahrmodells in doppelter Größe ausdrucken, dann hat das Boot eine Breite von 14 cm. Das Frachtschiff verfügt über einen recht flachen Boden, die Seiten sind schräg ausgeführt. So hat das Schiff einen gehörigen Auftrieb und ein großes Ladevolumen. Ärgerlich ist wieder, dass Bellabarba den Mallenriss in den Knick des Buches gesetzt hat. Ich werde den achterlichen Riss abpausen und auf die andere Seite spiegeln. So kann ich prüfen, ob Verzerrungen vorhanden sind. Die müssen dann nachgearbeitet werden.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Inzwischen habe ich den Seitenriss und die Mallen der Pareggia vergrößert. Vom Mallenriss brauche ich 15 Exemplare. Ich will die Mallen an den Enden recht dicht aufstellen.
Jedoch, ich habe zeitgleich einen zweiten Satz von Rissen hochkopiert. Hierbei handelt es sich um eine südenglische Sloup. Sie wurde um 1830 für den Frachtverkehr in Tasmanien gebaut. Das Fahrzeug "Royal William" mit dem tiefen Rumpf hat sich dort nicht bewährt. Es konnte weder die Flüsse hinauf- noch flache Bereiche anfahren. Folglich wurden später in Tasmanien flachgehende Schoner mit Ketschrigg gebaut und zur Kurshaltung mit einem Mittelschwert ausgestattet.
Ich weiß noch nicht, welchen von beiden Seglern ich zuerst bauen werde. Sloups habe ich schon in meiner Sammlung, Modelle mit Lateinersegel auch. Der bessere Segler wird natürlich die tasmanische Sloup sein. Sie wird aber keine Breitfock führen, sondern einen überlangen Mast bekommen.
Gruß Jörg
Bild 3: Sloup de cabotage de la manche - Frachttragende Sloup für den Ärmelkanal Bild 4: Tasmanische Ketsch
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
So weit bin ich mit der Pareggia: Der Rumpf wurde gestrakt, die oberste Planke wurde aufgesetzt. Von hier geht die Unterbeplankung mit Balsaholzleisten weiter. Der vordere Bereich und das Rundgatt wurden oben mit Trennfolie beklebt. Verstärkungsleisten wurden auf den Innenkiel im Bereich der AKF befestigt.
Die Pareggia ist ein breites und rundliches Schiff. Sie soll möglichst viel Ladung mitführen können. Sie hat wenig Tiefgang und der Boden ist weitgehend flach ausgeführt. Sie ist den lokalen Bedingungen angepasst. Viele Ortschaften in Ligurien hatten vor 1900 keine Häfen, die Fischerboote wurden auf den Strand gezogen. Ein Frachtschiff musste möglichst nah am Strand ankern und wurde über Laufplanken und Schwimmkörper entladen. Ein Schiff im Mittelmeer kann nicht trockenfallen, wie vergleichbare Küstensegler an der Nordseeküste. Der Gezeitenwechsel ist zu gering. Diese Ladungsmanöver können nur bei Windstille ausgeführt werden und sind risikoreich. Als flach ausgeführtes Schiff kann die Pareggia nahe an den Strand gefahren werden. Mit der Verbesserung der Infrastruktur (Hafenausbau, Anbindung der Ortschaften an das Straßen- und Bahnnetz) wurden Zubringerfahrzeuge wie die Pareggia überflüssig.
Das Photo stammt aus "Vele italiane", S. 77 und zeigt den Ort Noli, Ligurien
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!